Können Juristen etwas „schnell beurteilen“?

Immer wieder werde ich als Jurist gefragt, ob ich ein Dokument, in der Regel einen Vertrag, schnell bzw. kurz beurteilen könne. Währenddem ich mich früher dazu hinreissen liess, tue ich das heute nicht mehr. Als Rechtsanwalt habe ich eine Verantwortung, Ratsuchende verlassen sich auf meine Einschätzungen. Ich hafte in der Regel auch für meine juristischen Auskünfte. Darum benötige ich für eine Beurteilung genügend Zeit bzw. die Zeit, die im konkreten Fall notwendig ist.

Hier also einmal für alle die Antwort auf die Frage, ob ich etwas „schnell [juristisch] beurteilen“ könne. Nein, sorry!

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 22. Mai 2019

Der Aussetzer – Blick hinter die Kulissen von Recht und Justiz

In seinem Roman „Der Aussetzer“ (z.B. buchhaus.ch) schaut der Luzerner SRF-Journalist Beat Vogt mit dem Zusammenlauf zweier Geschichten einmal hinter die Kulissen von Recht und (Luzerner) Justiz und beleuchtet die Menschen. Etwas, was mich als Rechtsanwalt immer mehr fasziniert.

Gerade haben Chris und Maya den letzten Klängen ihrer Lieblingsband zugehört, haben sich gefreut über den gemeinsamen Konzertabend, an dem sie sich so nahe fühlten wie seit Jahren nicht mehr. Doch dann ist da plötzlich dieser junge Mann, seine irre Provokation und Chris, der nicht mehr weiß, was er tut. Jahre später legt Eva ihrem Professor das Thema der Masterarbeit vor. Sie will die Schweizer Justiz durchleuchten und versteckte Diskriminierung aufdecken. Noch ahnt die Studentin nicht, dass die Nachforschungen ihre eigene Wahrnehmung, schließlich ihr ganzes Leben infrage stellen. Raffiniert verknüpft Beat Vogt in seinem ersten Roman Familien- und Liebesgeschichte mit existenziellen Fragen zu Verantwortung, Lüge und Schuld. „Der Aussetzer oder die Resonanz einer Schuld“ ist vielschichtig und abgründig, auf mehreren Zeitebenen und aus der Sicht von vier Figuren erzählt – und in einem Bogen, dessen Spannung nie nachlässt. buchhaus.ch

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

„Es gilt die Unschuldsvermutung“ – überflüssige Klausel

Immer wieder stört mich die Klausel „es gilt die Unschuldsvermutung“ in Medienberichten zu Straffällen. Ich habe jeweils mehr den Eindruck, die Journalisten würden sich selber ihre Hände in Unschuld waschen, weil sie sich unter dem Newsdruck zu tendenziösen Berichten hinreissen lassen. Nun bestätigt der ehemalige Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich, Andreas Brunner, in einem Interview im Tages-Anzeiger (http://bit.ly/2HIV9NX), dass die Klausel „es gilt die Unschuldsvermutung“ effektiv überflüssig ist. Die Unschuldsvermutung ist ein Verfassungsgrundsatz („Jede Person gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig“, Art. 32 Bundesverfassung, BV) und gilt generell; auch wenn man sie nicht erwähnt.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch