Foto-Abmahnung – Was tun?

Von Ueli Grüter und Giedre Neverauskas

  • Bewahren Sie Ruhe!
  • Bezahlen Sie nicht voreilig!
  • Geben Sie eine Unterlassungserklärung nicht vorschnell ab!
  • Konsultieren Sie eine/n spezialisierte/n Rechtsanwältin/Rechtsanwalt!

Sie agieren in Wellen, die Anwaltskanzleien, aber auch sonstige Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin besteht, andere wegen widerrechtlicher Verwendung von Fotos, vorwiegend im Internet, abzumahnen und dafür teilweise horrende Gebühren zu verlangen. Die Anwaltskanzleien operieren oft von Deutschland aus, weil deutsche Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte schon für das Abmahnen eine Gebühr verlangen können. Unsere Klienten fragen uns dann verdattert an, ob diese Abmahnungen wohl seriös seien, ob sie die Fotos effektiv entfernen und die Gebühren bezahlen sollen.

In diesem Artikel erläutern Rechtsanwalt und Hochschuldozent Ueli Grüter und Rechtsanwältin Dr. Giedre Neverauskas den Schutz von Fotos in der Schweiz und in Deutschland, erklären Betroffenen, wie sie bei einer Abmahnung richtig reagieren und was dabei zu beachten ist. Dieser Artikel ist jedoch lediglich eine Information und keine Rechtsberatung. Dafür empfehlen die Autor/innen sehr die Konsultation einer Rechtsanwältin, eines Rechtsanwalts.

Wie finden die Abmahner die beanstandeten Bilder?

Rechteinhaber oder Dienstleister durchsuchen das Internet mit Tools wie Pixsy oder Copytrack, um unerlaubte Nutzungen aufzuspüren.

Wie sind Fotos in der Schweiz und in Deutschland geschützt

Schutz von Fotos in der Schweiz

Seit der letzten Revision des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes (URG) im Jahr 2019 (in Kraft seit 01.04.2020) sind alle Fotos geschützt, auch wenn sie die sonst im Urheberrecht verlangte Individualität bzw. Originalität nicht erreichen. Gemäss diesem Gesetz sind nun Fotos generell («tel quel») geschützt, auch wenn sie keinen individuellen Charakter aufweisen (Art. 2 Abs. 3bis URG), also auch, wenn sie nicht besonders originell sind. Damit sind jetzt insbesondere auch sogenannte Schnappschüsse urheberrechtlich geschützt, d.h. Fotos, deren Motiv gerade so im Bild festgehalten wird, wie es vorgefunden wird, wie z.B. der hier abgebildete, selbst fotografierte Mops. Dieses Foto wäre vor der Revision des Urheberrechtsgesetzes wohl eher nicht geschützt gewesen.

Gemäss revidiertem Urheberrechtsgesetz sind auch «mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben» generell urheberrechtlich geschützt. Dabei handelt es sich z.B. um Bilder, die durch Infrarot- und Röntgenstrahlen entstehen, Mikro- und Makrokopien, Abzüge eines Negativfilms sowie Einzelbilder aus visuellen bzw. audiovisuellen Werken, wie z.B. Filmstils.

Voraussetzung für den generellen Schutz von Fotografien ist, dass diese ein dreidimensionales Objekt abbilden. Damit gibt es keinen tel quel-Schutz von Fotokopien, Fotos von Fotos u.ä.

Der Provider des Chatbots ChatGPT, OpenAI, schreibt in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), dass Content, also auch Fotos, die von ChatGPT erstellt werden, frei genutzt werden können (s. digilaw.ch – 08.05.04 ChatGPT & Co. und Urheberrecht).  

Art. 2 URG verlangt für den urheberrechtlichen Schutz generell, dass es sich um eine «geistige Schöpfung» handelt. Eine solche kann nur durch Menschenhand entstehen. Diese Regel gilt nach wie vor auch für Fotos. Damit geniessen z.B. automatisiert hergestellte Fotografien, wie Radarfotos, Fotos von Überwachungskameras oder von Radarfallen keinen urheberrechtlichen Schutz. Fotos, die von künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurden, sind unter diesem Gesichtspunkt nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn die Parameter für die Erstellung überwiegend von Menschen gesetzt wurden (s. juristenfutter.ch – Kein Urheberrechtsschutz für KI).

Gemäss Art. 80 URG kommt der tel quel-Schutz von Fotos gemäss Art. 2 Abs. 3bis URG auch auf Fotos zur Anwendung, die vor deren Inkrafttreten gemacht wurden. Hat jemand jedoch ein Foto, das vor Inkrafttreten dieser neuen Regeln entstanden ist und damals nicht urheberrechtlich geschützt war, vor Inkrafttreten des revidierten Urheberrechtsgesetzes ohne Einwilligung des Rechtsinhabers verwendet, z.B. auf einer Homepage oder in einem Prospekt, muss er jenes nun nicht entfernen. Eine erneute Verwendung in einem anderen Kontext ist jedoch ohne Einwilligung des Inhabers, der Inhaberin der entsprechenden Rechte nicht mehr zulässig.

In der Praxis ist die Dauer des Schutzes von Fotos in der Regel nicht relevant. Fotos sind generell während des Lebens der Urheberin, des Urhebers geschützt und 70 Jahre nach deren Tod (Art. 29 Abs. 2 lit. b URG). Weisen jedoch Fotos keinen individuellen Charakter (Originalität) auf, sind sie lediglich bis 50 Jahre nach dem Tod der Urheberin, des Urhebers geschützt (Art. 29 Abs. 2 lit. abis URG).

Gemäss Art. 19 URG ist die Nutzung von Fotos zum Eigengebrauch explizit erlaubt. Darunter fällt die private Verwendung im Familien- und Freundeskreis (eng definiert!), die ohne weiteres zulässig ist. Auch die Verwendung in Schulen (auch Hochschulen, Universitäten) oder innerhalb eines Betriebs (Unternehmen, Organisation) ist möglich, jedoch nur gegen Vergütung über die Verwertungsgesellschaften. So verwendete Fotos dürfen aber nicht ausserhalb dieser Kreise, also insbesondere nicht im Internet (aber IM Intranet) publiziert werden.

Schutz von Fotos in Deutschland

Der Schutz von Fotos in Deutschland entspricht im Wesentlichen der schweizerischen Regelung. In Deutschland können Fotos als Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 Urheberrechtsgesetz, UrhG) oder als Lichtbilder (§ 72 UrhG) geschützt sein. Der wesentliche Unterschied zwischen einem Lichtbildwerk und einem Lichtbild liegt in der Schöpfungshöhe. Lichtbildwerke sind Fotos, die eine persönliche, geistige Schöpfung des Fotografen, der Fotografin darstellen, also einen gewissen künstlerischen Anspruch haben. Lichtbilder sind alle anderen Fotos, die nicht diese Schöpfungshöhe erreichen. Somit sind die sogenannten Schnappschüsse (s. vorne) auch in Deutschland geschützt. Der Unterschied in der praktischen Auswirkung, ob ein Foto als ein Lichtbildwerk oder als ein Lichtbild eingestuft wird, liegt in der Länge der Schutzdauer. Der urheberrechtliche Schutz der Lichtbildwerke gilt ab ihrer Entstehung bis 70 Jahre nach dem Tod des Fotografen, der Fotografin. Einem Lichtbild wird demgegenüber nur ein Leistungsschutzrecht mit einer Schutzfrist von 50 Jahren nach Erscheinen, öffentlicher Wiedergabe bzw. Herstellung des Lichtbilds zuerkannt.

Wann kommt das schweizerische, wann das deutsche Recht zur Anwendung?

Ob in einem Fall der möglichen widerrechtlichen Nutzung von Fotos schweizerisches oder deutsches Recht zur Anwendung kommt, wird nach dem entsprechenden, nationalen, sogenannten Kollisionsrecht bestimmt.

In der Schweiz wendet das zuständige schweizerische Gericht (s. nachfolgend) dafür das Gesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) an. Sollte eine Klage vor einem Schweizer Gericht erhoben werden, unterstehen nach schweizerischem Recht Immaterialgüterrechte dem Recht des Staates, für den der Schutz der Immaterialgüter beansprucht wird (Art. 110 IPRG). Bei Foto-Abmahnungen ist das Recht des Staates anwendbar, für den der Schutz der Urheberrechte beansprucht wird.

Sollte eine Klage vor einem deutschen Gericht erhoben werden, könnte je nach Argumentation des Klägers – Massgeblichkeit des Handlungs- oder Erfolgsortes – das schweizerische oder deutsche Recht zur Anwendung kommen (Art. 39, 40 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche, EGBGB).

Wo sind die Rechte an Fotos verletzt, in der Schweiz oder in Deutschland?

Grundsätzlich werden die Rechte an Fotos verletzt, wo die verletzende Handlung stattfindet oder wo der Erfolg der verletzenden Handlung eintritt. Bei Online Publikationen kann die Verletzung weltweit eintreten (im Detail s. nachfolgend «Läuft man Gefahr, in Deutschland eingeklagt zu werden?»).

Was ist bei Abmahnungen von deutschen Anwaltskanzleien zu beachten?

Abmahnungen von deutschen Anwaltskanzleien haben, auch wenn sie in der Schweiz erfolgen, für ihre Rechtsgültigkeit in Deutschland gewisse regulatorische Voraussetzungen zu erfüllen.

Formelle Voraussetzungen einer Abmahnung

Eine Abmahnung, die formellen Anforderungen gemäss § 97a Abs. 2 UrhG (s. Anforderungen dort) nicht erfüllt, ist unwirksam. Daher sollte beim Erhalt einer Abmahnung aus Deutschland zuerst geprüft werden, ob die formellen Voraussetzungen eingehalten sind.

Ersatz der Anwaltskosten

Deutsche Anwaltskanzleien verlangen für ihre Abmahnungen regelmässig den Ersatz der Anwaltskosten. Diese Forderung ist gesetzlich geregelt und grundsätzlich zulässig (§ 97a Abs. 3 UrhG). Bei einer ersten Abmahnung gegenüber Privatpersonen ist der Betrag derzeit jedoch auf ca. EUR 160 begrenzt. Zudem müssen die Kosten tatsächlich angefallen sein – daher ist zu prüfen, ob die geltend gemachten Anwaltskosten plausibel und nachvollziehbar sind.

Strafbewehrte Unterlassungserklärung

Abmahnungen enthalten in der Regel die Aufforderung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. «Strafbewehrt» bedeutet, dass sich die abgemahnte Person verpflichtet, im Wiederholungsfall eine Vertragsstrafe zu zahlen. Die abgemahnte Person hat dabei grundsätzlich drei Optionen: die Erklärung unverändert zu unterzeichnen, in abgeänderter Form zu unterzeichnen oder die Unterzeichnung zu verweigern. Da die Erklärungen oft weiter gefasst sind als erforderlich, ist eine sorgfältige Prüfung besonders wichtig. Wird eine Unterlassungserklärung abgegeben, entfällt die Wiederholungsgefahr – eine Klage auf Unterlassung ist dann nicht mehr möglich. Wer jedoch trotz berechtigter Abmahnung weitermacht, riskiert einen Vorwurf der vorsätzlichen Handlung und eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren. Wer bei einer berechtigten Abmahnung nicht unterschreibt, riskiert eine einstweilige Verfügung oder Klage. In Deutschland ist dieses Risiko höher als in der Schweiz, da die Rechtsverfolgungskosten geringer sind und die Hemmschwelle zur Klage daher niedriger ist. Allerdings ist zu beachten, dass Klagen aus Deutschland nicht einfach per Post in die Schweiz zugestellt werden können. Sie müssen gemäss dem Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und aussergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (SR 0.274.131) über ein formelles Rechtshilfeverfahren und eine zuständige kantonale Behörde zugestellt werden. Das verursacht zusätzliche Kosten und Aufwand für die klagende Partei und kann die Bereitschaft, grenzüberschreitend zu klagen, verringern.

Läuft man Gefahr, in Deutschland eingeklagt zu werden?

Ob man bei einer möglichen widerrechtlichen Nutzung eines Fotos in Deutschland eingeklagt werden kann, hängt davon ab, ob in einem bestimmten Fall ein schweizerisches oder ein deutsches Gericht zuständig ist. Diese Fragen entscheiden sowohl Schweizer als auch deutsche Richterinnen und Richter basierend auf dem Übereinkommen zwischen der Schweiz und der EU über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen, dem Lugano Übereinkommen (LugÜ). Nach Art. 2 LugÜ kann eine beklagte Partei immer am Wohnsitz oder Sitz eingeklagt werden. D.h. ein deutscher Inhaber von Urheberrechten an einem Foto kann den Nutzer seines Fotos immer auch in der Schweiz einklagen. Bei dieser Sache handelt es sich aber auch um den Spezialfall der unerlaubten Handlung gemäss Art. 5 Ziff. 3 LugÜ. Damit kann eine deutsche Inhaberin von Urheberrechten an einem Foto vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, klagen. Je nach Situation kann dies bei einem widerrechtlich genutzten Foto in der Schweiz oder in Deutschland sein.

Bei offline Nutzung eines Fotos ist das einfacher zu bestimmen als bei einer online Nutzung, denn die Webseiten sind grundsätzlich überall abrufbar – und somit sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland. Gemäss der massgeblichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) reicht die Zugänglichkeit der Webseite am Ort des angerufenen Gerichts aus, um die Zuständigen dieses Gerichts zu begründen. Die Webseite muss nicht einmal auf diesen Ort bzw. diesen Staat ausgerichtet sein (EuGH 03.10.2013, Rs. C-170/12, Pinckney/KDG Mediatech Rn 39, 42; EuGH 22.01.2015, Rn C-441/13 Rz 32). Allerdings ist das Gericht nur für die Entscheidung für den Schaden zuständig, der im Hoheitsgebiet des Staates verursacht worden ist, zu dem es gehört (EuGH 03.10.2013, Rs. C-170/12, Pinckney/KDG Mediatech, Rz. 33, 43 ff.). Das heisst, dass in Deutschland nur der in Deutschland entstandene Schaden geltend gemacht werden kann und nicht auch möglicherweise in der Schweiz entstandener Schaden. Folglich kann in der Schweiz der in der Schweiz entstandene Schaden gerichtlich durchgesetzt werden.

Wie hoch sind gerechtfertigte Gebühren für widerrechtlich benutzte Fotos?

Falls ein Foto nach Ansicht eines Gerichts effektiv widerrechtlich verwendet worden ist, kann der Inhaber der entsprechenden Rechte neben Unterlassung der Verwendung auch Schadenersatz verlangen.

In diesem Fall wenden die Gerichte die sogenannte Lizenzanalogie an. Das heisst, ein Gericht fragt sich, was die widerrechtliche Nutzerin wohl dem Berechtigten hätte zahlen müssen, wenn sie von diesem legal eine Lizenz für das Foto bezogen hätte. Mangels anderer Anhaltspunkte sind für die Schätzung einer Lizenzgebühr die tatsächlichen Marktpreise für die entsprechenden Fotos massgeblich. Da die Nutzung aber widerrechtlich war, wird noch ein angemessener, aber nicht übermässiger Zuschlag gemacht; wohl nicht mehr als das Doppelte. Betreffend Urheberrechtslizenzen für Fotos kann man sich gerade bei entsprechenden Plattformen, wie derjenigen von Getty Images orientieren.

Für die Schweiz gibt es dazu nun auch einen ersten Gerichtsentscheid. Das Handelsgericht des Kantons Bern hat in einem Entscheid für eine Drohnenaufnahme eines Ortes, die als Schnappschuss qualifiziert wurde, eine Gebühr von CHF 55 statt der geforderten CHF 3’500 für angemessen gehalten (HG BE 22 35 vom 13.02.2023; bestätigt durch das Bundesgericht BGer 4A_168/2023 vom 21.04.2023), da dem Kläger nicht gelungen ist zu beweisen, dass für vergleichbare Fotos im freien Markt höhere Preise bezahlt werden. Fotos, die künstlerischen Anspruch haben, dürften eine deutlich höhere Gebühr rechtfertigen.

Bei der Berechnung von Schadenersatz für die unerlaubte Nutzung von Fotos orientieren sich Gerichte in Deutschland häufig an branchenüblichen Tarifen (z.B. den Tarifen von Verwertungsgesellschaften oder der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing, MFM). Dies gilt insbesondere dann, wenn es keine konkreten Anhaltspunkte für tatsächlich marktgängige höhere oder niedrigere Tarife gibt (vgl. OLG Hamburg, 3 U 49/89, GRUR 1989, 912, 913 – Spiegel-Fotos). Nach der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (20 U 138/05, GRUR-RR 2006, 393 ff. – Informationsbroschüre) beträgt der übliche Betrag gemäss MFM-Tarif etwa EUR 435 je Foto. Zusätzlich berücksichtigen deutsche Gerichte Faktoren wie die Bekanntheit des Urhebers, die Reichweite der Veröffentlichung, die Auflage oder den besonderen Wert des Fotos. Wurden rechtswidrig hergestellte Kopien verkauft, können Lizenzsätze auf den Verkaufspreis angewendet werden – meist 5 % bis 10 % des erzielten Umsatzes. Bei besonders wertvollen Fotos können auch höhere Sätze angesetzt werden.

Soll man bei einer Abmahnung eine Rechtsanwältin, einen Rechtsanwalt konsultieren?

Die Prüfung einer Abmahnung wirft zahlreiche komplexe Fragen auf, deren Beantwortung für den weiteren Verlauf entscheidend ist, sodass die Konsultation einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts sehr empfehlenswert ist. Die Frage, wie in einem konkreten Fall auf die Abmahnung reagiert werden soll, hängt von der Wirksamkeit und der Begründetheit der Abmahnung, aber auch von den Klagerisiken ab. Es ist darum u.E. sehr empfehlenswert, bei einer Foto-Abmahnung eine/n im Urheberrecht spezialisierte/n Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt zu konsultieren.

Aufpassen muss man, dass auch bei einer solchen Konsultation die Kosten für eine erste, summarische Abklärung verhältnismässig bleiben.

Falls man eine Rechtsschutzversicherung hat, sollte man abklären, ob diese eventuell die Kosten für eine anwaltliche Beratung übernimmt. Urheberrechtsfälle sind zwar bei Rechtsschutzversicherungen häufig ausgeschlossen. Rechtsschutzversicherungen machen jedoch in solchen Fällen regelmässig kleine Kostengutsprachen von ein paar Hundert Franken für eine erste summarische Abklärung und Beratung.

Sind ungerechtfertigte Abmahnungen widerrechtlich?

Werden Betroffene zu Unrecht abgemahnt, könnte diese Abmahnung eine unlautere Handlung nach Art. 3 Abs. 1 lit. b des Lauterkeitsgesetzes (UWG) darstellen, was wiederum nach Art. 23 UWG sogar strafbar sein könnte. Das heisst, Betroffene könnten in diesem Fall allenfalls sogar eine Strafanzeige bzw. einen Strafantrag gegen den/die Abmahner/in stellen. Zudem kann der bzw. die Betroffene, sollte die Abmahnung von Deutschland her erfolgt sein und unberechtigt oder unwirksam sein, Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen gemäss § 97a Abs. 4 UrhG verlangen, es sei denn, es war für den bzw. die Abmahnende/n zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war.

Plattformen für legale kostenlose Fotos

Eine u.E. gute Möglichkeit, Foto-Abmahnungen möglichst zu verhindern, ist die Nutzung von legal kostenfreien Fotos von entsprechenden, nachfolgend exemplarisch aufgezählten Internet-Plattformen, auch wenn im Rahmen dieses Beitrags die legale Nutzung nicht garantiert werden kann:

  • Pixabay: Bilder unter CC0 oder eigener Lizenz, kostenlos nutzbar, auch kommerziell
  • Unsplash: Kostenlose, qualitativ hochwertige Fotos, sehr liberal nutzbar
  • Pexels: Kostenlose Fotos und Videos, kommerzielle Nutzung erlaubt
  • Flickr: Bei Filterung viele gratis nutzbare Bilder
  • Wikimedia Commons: Freie Medien mit klar gekennzeichneter Lizenz, oft CC BY oder gemeinfrei

Gemäss den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Providers OpenAI sind auch von ChatGPT erzeugte Fotos bzw. Bilder frei nutzbar (s. dazu aber digilaw.ch 08.05.04 ChatGPT & Co. und Urheberrecht).

Wichtig! Nutzt man solche Fotos, sollte man später belegen können, von welcher Plattform man wann unter welchen Bedingungen die genutzten Fotos heruntergeladen hat. Zudem verlangen einige Plattformen, dass bei der Nutzung der Fotos die Plattform die Fotografin, den Fotografen nennt.

Ersteinschätzung und Unterstützung bei Abmahnungen durch Keller Schneider Patent- und Markenanwälte AG mit Büros in Zürich/Bern/München

  • Ersteinschätzung: Prüfung der Abmahnung, rechtliche Erfolgsschätzung und konkrete Handlungsempfehlung zum Pauschalhonorar von CHF 300 plus MwSt.
  • Individuelles Schreiben (z.B. an die Gegenseite oder zur Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung) zum Pauschalhonorar CHF 250 plus MwSt.
  • Weitere Unterstützung: nach Absprache

Das Angebot umfasst insbesondere die Prüfung der geltend gemachten Anwaltskosten sowie der Unterlassungserklärung und gibt Ihnen eine verlässliche Grundlage für Ihr weiteres Vorgehen.

Kontaktieren Sie Rechtsanwalt Ueli Grüter oder Rechtsanwältin Dr. Giedre Neverauskas.

Proton Lumo schützt als erster Chatbot Anwalts- und Amtsgeheimnis

Am 23. Juli 2025 hat der Schweizer VPN-Pionier, Proton AG, der 2014 von Wissenschaftlern des CERN gegründet wurde, den Chatbot bzw. KI-Assistenten «Lumo» lanciert (s. https://proton.me/blog/lumo-ai). Wie das VPN von Proton, zeichnet sich gemäss Angaben von Proton auch der Chatbot Lumo durch «No-logs», Zero‑Access‑Verschlüsselung und zusätzlich das Nicht-Nutzen zum KI-Modell-Training, Open-Source-Software und ein EU-Hosting aus.

Zero‑Access‑Verschlüsselung garantiert Anwalts- und Amtsgeheimnis

Das Anwalts- und das Amtsgeheimnis (u. a. Art. 13 Anwaltsgesetz, BGFA; Art. 320 ff. Strafgesetzbuch, StGB) gehen bedeutend weiter als der Datenschutz. Es dürfen keinerlei Daten in einen Chatbot eingegeben werden, die unter das Anwalts- oder Amtsgeheimnis fallen. Keiner uns bisher bekannten Chatbots, wie ChatGPT von OpenAI, Gemini von Google oder Le Chat des französischen Providers Mistral AI, sieht die Möglichkeit der verschlüsselten Kommunikation mit Ausschluss des Zugriffs auch durch den Provider vor. Proton wendet nun bei seinem Chatbot Lumo in jedem Fall (muss nicht aktiviert werden) die Zero‑Access‑Verschlüsselung an (s. https://proton.me/blog/lumo-ai). Damit stellt Proton sicher, dass nicht nur Dritte, sondern auch Proton selbst keinen Zugriff auf die gespeicherten Inhalte der User hat, weder technisch noch rechtlich. Zugriffsanforderungen durch Behörden sind zwecklos, da Proton keine Inhalte entschlüsseln kann, auch nicht auf richterliche Anordnung.

Zero‑Access‑Verschlüsselung auch im Datenschutz relevant

Im Datenschutz gilt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit (s. https://digilaw.ch/06-04-grundsatz-der-verhaltnismassigkeit). In Bezug auf den Zugriff auf die Daten der User bedeutet dies, dass ein Provider nur dann auf die Daten zugreifen darf, wenn die benutzte Applikation ohne diesen Zugriff nicht betrieben werden kann. Das Beispiel von Proton zeigt, dass Zero‑Access‑Verschlüsselungen technisch möglich sind. Wenn ein Provider die Zero‑Access‑Verschlüsselung also nicht anwendet, obwohl technisch möglich, wäre dies ein Verstoss gegen die Datenschutzregulierung.

So funktioniert Zero‑Access‑Verschlüsselung bei Proton Lumo

Alle Inhalte (z. B. Chatverläufe, hochgeladene Dateien, Notizen) werden so verschlüsselt, dass nur der User selbst den Schlüssel besitzt, um die Daten zu entschlüsseln. Proton kennt diesen Schlüssel nicht, auch nicht in technischer Hinsicht. Die Inhalte werden auf dem Gerät des Users verschlüsselt, bevor sie an die Server von Proton gesendet werden. Die Entschlüsselung erfolgt ebenfalls lokal. Proton sieht nur verschlüsselten «Datenmüll». Die Kryptoschlüssel werden aus dem Login bzw. einem verschlüsselten lokalen Speicher abgeleitet. Proton speichert keinen Master‑Key und hat keine Möglichkeit, Inhalte wiederherzustellen, sollte der User seinen Zugang verlieren. Auch wenn man Chatverläufe oder Dateien speichert (z. B. in Lumo Plus), bleiben diese end-zu-end verschlüsselt. Nur das Endgerät, nicht Proton, kann die Daten entschlüsseln.

Zertifizierung durch unabhängige Dritte

Die Zero‑Access‑Verschlüsselung von Proton Lumo selbst ist nach aktuellem Informationsstand von unabhängiger Stelle nicht explizit geprüft und bestätigt worden. Im Juli 2025 erhielt Proton aber die bescheinigende SOC 2 Type II‑Attestation durch die unabhängige Prüffirma Schellman. Der Audit umfasste umfangreiche Dokumentenprüfungen, Mitarbeitenden-Interviews und technische Kontrollen, mit dem Ziel, die konsequente Anwendung der Sicherheitsmassnahmen im Betrieb zu verifizieren. (s. dazu u.a. https://proton.me/blog/soc-2, https://www.techradar.com/vpn/vpn-privacy-security/proton-reaffirms-commitment-to-security-in-independent-audit, https://www.tomsguide.com/computing/online-security/proton-passes-its-first-soc-2-type-ii-audit-verifying-its-business-security-credentials).

Proton Lumo in der Praxis

Der Chatbot Lumo erscheint bisher nicht in Benchmarks. Lumo nutzt die LLM NeMo von Mistral, OpenHands 32B von All-Hands-AI, OLMO 2 32B von Allen Institute for Artificial Intelligence (AI2) und Mistral Small 3 (s. https://proton.me/support/lumo-privacy). Die Anwendung in den vergangenen Tagen, insbesondere in der Rechtspraxis, zeigt, dass der Chatbot Lumo bisher nicht die gleiche Feinheit oder Tiefe erreicht wie die grossen Anbieter OpenAI ChatGPT oder Google Gemini. Der USP für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie User in Verwaltung und an Gerichten liegt aktuell eindeutig bei der Zero‑Access‑Verschlüsselung. Wenn es also auf die Geheimhaltung ankommt, ist Lumo von Proton erste Wahl; nota bene aus schweizerischer Sicht. Wenn mit keinen geheimen Informationen gearbeitet wird, leisten ChatGPT & Co. im Moment (noch) bessere Dienste.  

Auf www.linkedin.com/in/ueli-grueter läuft eine interessante Diskussion zu diesem Beitrag. Aus dieser Diskussion folgende ergänzenden Infos.

Ein User wendet ein: «Bei «Lumo» sehe ich das alte Problem, dass die behauptete Vertraulichkeit mit weniger Funktionsumfang erkauft werden muss. Das ist für [die] meisten Anwaltskanzleien auf Dauer wirtschaftlich nicht haltbar, denn die nicht regulierte Konkurrenz kann die Angebote mit den besten Funktionen nutzen. Kaum jemand bezahlt einen Anwalt dafür, dass dieser Dienste nutzt, die funktional unterlegen sind und allenfalls auch noch teurer sind als die etablierten Dienste.»

Man muss die Sache anwendungsspezifisch sehen. Für ein VPN muss man sich fragen, ob man, insbesondere bei juristisch problematischen Online-Aktivitäten, als Schweizer ein VPN von einem Provider mit Sitz in der Schweiz nutzen möchte. Beim Anwalts- und Amtsgeheimnis ist das jedoch eine andere Sache. Hier ist ein Schweizer Provider wie Proton mit Lumo geradezu ideal. In meinem Artikel «Proton Lumo schützt als erster Chatbot Anwalts- und Amtsgeheimnis» (https://juristenfutter.ch/2025/07/26/proton-lumo-schuetzt-als-erster-chatbot-anwalts-und-amtsgeheimnis), den ich im Post verlinkt habe, schreibe ich: Die Anwendung der letzten Tage, besonders in der Rechtspraxis, zeigt, dass der Chatbot Lumo bisher nicht die gleiche Tiefe erreicht wie grosse Anbieter wie OpenAI ChatGPT oder Google Gemini. Wie mein Kollege und AI-Experte Yves Zumbühl und ich in unserem Kurs «ChatGPT & Co. für Juristinnen und Juristen» (https://www.hslu.ch/de-ch/informatik/weiterbildung/digital-transformation/fachkurs-chatgpt-juristinnen/) erklären, gibt es den besten Chatbot für die Rechtspraxis nicht. Es hängt davon ab, wofür man ihn konkret benötigt. Geht es um das Anwalts- oder Amtsgeheimnis, ist Lumo derzeit erste Wahl.

Ein User wendet ein: «Proton gibt gemäss meinem Kenntnisstand übrigens keinerlei Zusicherungen zum Amts- oder Berufsgeheimnis, so wie die meisten anderen Anbieter in der Schweiz auch nicht. Ohnehin kommuniziert Proton eher oberflächlich und nicht immer zutreffend, was die Datensicherheit betrifft. Interessanterweise arbeitet man in anderen Bereichen inzwischen häufig mit Einwilligungen, zum Beispiel bei den Banken oder in der Medizin. […]»

Eine zusätzliche Zusicherung der Wahrung des Anwaltsgeheimnisses oder Amtsgeheimnisses ist bei einer Zero‑Access‑Verschlüsselung nicht nötig. Auch m.E. sollte es grundsätzlich möglich sein, dass ein/e Rechtsanwalt/in von einem/r Klienten/in das Einverständnis zur Nutzung von KI in seinem/ihrem Fall einholen kann. Gemäss Rechtsprechung und Literatur muss sich der/die Klient/in aber über die Konsequenzen der Entbindung im Klaren sein, um eine gültige Entbindung erteilen zu können (vgl. BGE 98 IV 217, zit. Brunner/Henn/Kriesi, a.a.O., 5/56). Da liegt m.E. bei KI die Krux! Die Konsequenzen der Verwendung von Daten in KI sind wohl nicht einmal den Providern klar (…). Und dann müssten dann auch noch die Aufsichtsbehörden und Gerichte überzeugt sein, dass ein Klient/in die entsprechenden Konsequenzen überhaupt absehen bzw. erfassen kann …

Ein User wendet ein: «No Logs… kann man wirklich darauf vertrauen? Natürlich muss der Promt ans LLM unverschlüsselt übergeben werden – eine andere praxistaugliche Technologie gibt es nicht.»

Bei Proton Lumo geht es in Bezug auf das Anwaltsgeheimnis und das Amtsgeheimnis nicht um das No log, sondern um die Zero‑Access‑Verschlüsselung. Wenn diese gegeben ist, spielt das No log keine Rolle. Die End-to-End-Verschlüsselung ist implizit und heute ja bei den meisten seriösen Providern Standard. Die von Proton verwendeten LLM laufen gemäss Angabe von Proton «ausschließlich auf Servern, die von Proton kontrolliert werden, sodass […] [die Daten der User] niemals auf einer Plattform eines Drittanbieters gespeichert werden» (s. https://proton.me/support/lumo-privacy). Proton gehört zu den renommiertesten Anbietern von VPN weltweit und deren VPN Proton VPN wird von Menschenrechtsaktivisten, investigativ tätigen Journalistinnen und anderen personenbezogenen Gruppen mit erhöhtem Risiko eingesetzt (s. z.B. https://www.compiler.news/proton-vpn-venezuela-russia/). Also, kann man Proton vertrauen? Sehr wahrscheinlich schon 😉.


Proton Lumo ist nun Teil des Fachkurses «ChatGPT & Co. für Juristinnen und Juristen» an der Hochschule Luzern – Informatik


Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, advolab.ai, www.intla.ch

Aktualisiert am 21. August 2025

Pulsuhr des Opfers überführt Uber-Fahrer eines Sexualdelikts

Daten von Smartwatches und anderen Wearables bieten ein neues Spektrum an Möglichkeiten in der Beweisführung in Kriminalfällen

Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilt einen Uber-Fahrer wegen Schändung und verhängt eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Zentrales Beweismittel ist der von einer Smartwatch des Opfers aufgezeichnete Puls.

Das Opfer hatte nach einem Weihnachtsessen in einem Club gefeiert, ihre Chefin hatte später den Uber-Fahrer bestellt und sie ins Auto gesetzt. Gemäss Anklage soll der Fahrer am Zielort zur schlafenden Passagierin auf den Rücksitz gestiegen sein und dort sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen haben. Der Beschuldigte streitet dies nicht grundsätzlich ab. Er behauptet jedoch, die Frau habe am Zielort nicht aussteigen wollen. Als er die hintere Türe geöffnet habe, habe sie ihn ins Auto gezogen und begonnen, ihn zu küssen. Sie sei aggressiv gewesen, habe sich auf ihn gesetzt, seinen Reissverschluss geöffnet und sich selbst befriedigt. Er habe Angst vor ihr gehabt und versucht, sie wegzudrücken, und immer wieder gesagt, dass er das als Taxichauffeur nicht machen dürfe. Gemäss den Daten der Fahrt kam das Uber-Fahrzeug um 3 Uhr 05 am Zielort an. Um 4 Uhr 05 übernahm der Beschuldigte einen neuen Auftrag. Die sexuellen Handlungen sollen gemäss den Aussagen des Fahrers fast eine Stunde lang gedauert haben. Weil er keinen Geschlechtsverkehr mit der Frau gewollt habe, habe sie das Auto schliesslich wütend verlassen. Er sei in eine Falle gelockt worden. Gemäss Ermittlungen der Polizei sank der Puls nach den Aufzeichnungen der Smartwatch des Opfers nach Antritt der Fahrt um 2 Uhr 41 morgens kontinuierlich bis auf 87 Schläge pro Minute ab. In diesem Bereich verblieb er auch nach der Ankunft am Zielort noch eine halbe Stunde lang. Erst um 3 Uhr 35 stieg der Puls plötzlich wieder auf über 100 Schläge pro Minute an. Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilt den Uber-Fahrer wegen Schändung und verhängt eine bedingte Freiheitsstrafe. Das Gericht begründet den Schuldspruch unter anderem damit, dass es schwer vorstellbar sei, dass sich die Frau während rund einer Stunde sexuell befriedigt habe, ohne dass der Fahrer aktiv mitgemacht haben soll. Auch die Daten der Pulsuhr sprächen gegen diese Version. Dann hätte nämlich der Puls gleich nach Ankunft steigen müssen. Dies lasse nur den Schluss zu, dass die Frau auch 25 Minuten nach Ankunft noch geschlafen habe (Urteil DG240 012 vom 20. 2. 2025, noch nicht rechtskräftig; Quelle: NZZ 05.03.2025).

Wearables auch in der Schweiz immer beliebter

In den letzten Jahren haben Smartwatches und andere Wearables erheblich an Beliebtheit gewonnen. Allein im Jahr 2022 nutzten in der Schweiz rund 1,2 Millionen Menschen Smartwatches, während etwa 340.000 Personen Fitness- oder Aktivitätstracker-Armbänder verwendeten. Diese Geräte erfassen kontinuierlich Daten wie Herzfrequenz, Bewegungsmuster und Schlafverhalten, die nicht nur für die persönliche Gesundheitsüberwachung wertvoll sind, sondern auch in strafrechtlichen Ermittlungen als potenzielle Beweismittel dienen können (statista.com 26.01.2024).

Bundesgericht lässt Daten von Wearables als Beweismittel zu

Gemäss der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_385/2024, 6B_390/2024, Erw. 3.3) sind von Privaten rechtmässig erlangte Beweismittel ohne Einschränkungen im Strafprozess verwertbar. Dies bedeutet, dass Daten, die durch Wearables wie Smartwatches aufgezeichnet und von den Nutzern freiwillig zur Verfügung gestellt wurden, grundsätzlich als Beweismittel in strafrechtlichen Verfahren zugelassen sind.

Praktische Anwendung von Wearable-Daten in Ermittlungen

In der Praxis können die von Wearables gesammelten Daten dazu beitragen, den Ablauf von Ereignissen zu rekonstruieren oder Alibis zu überprüfen. Bewegungsdaten können etwa Aufschluss darüber geben, ob sich eine verdächtige Person zum fraglichen Zeitpunkt am Tatort befand oder nicht. Herzfrequenzdaten könnten, wie in dem hier geschilderten Fall, Hinweise auf Stresssituationen liefern, die mit der Tat in Zusammenhang stehen könnten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Qualität und Genauigkeit dieser Daten variieren können und daher sorgfältig im Kontext anderer Beweismittel bewertet werden müssen.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Kein Urheberrecht für Birkenstock-Sandalen

Am 20. Februar 2025 hat der Deutsche Bundesgerichtshof in drei Revisionsverfahren entschieden*, dass die legendären Sandalen von Birkenstock in Deutschland keinen urheberrechtlichen Schutz als Werke der angewandten Kunst geniessen.

Kurzer Designschutzhohe Hürden für Urheberrechtsschutz

Typisch wäre für Produkte, wie die Birkenstock-Sandalen, der Designschutz, der sowohl in Deutschland, wie in der Schweiz einen relativ tiefen Level an Originalität verlangt. Dieser dauert jedoch maximal 25 Jahre; auch in der Schweiz (s. dazu im Detail digilaw.ch Kapitel 08.08 Design). Da der Schuhmacher Karl Birkenstock seine ersten Modelle in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts entworfen hat, kam vorliegend nur noch der Urheberrechtsschutz infrage, der nach dem Tod des Urhebers noch 70 Jahre andauert; auch in der Schweiz. Die Hürden für den Urheberrechtsschutz sind jedoch sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz bedeutend höher, als für den Designschutz (s. dazu im Detail digilaw.ch Kapitel 08.05 Urheberrecht).

Birkenstock-Sandalen als «angewandte Kunst»

Birkenstock klagte in drei separaten Verfahren gegen verschiedene Konkurrenten, die ähnliche Sandalen verkaufen. Birkenstock hat dabei geltend gemacht, dass die Sandalen von Birkenstock als persönliche geistige Schöpfungen den Schutzvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 des Deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) entsprächen, da sie über individuelle gestalterische Elemente verfügten. Birkenstock verlangte Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie den Rückruf und die Vernichtung der Nachahmungen.

Birkenstock «Porsche unter den Sandalen»

In den Verfahren beriefen sich die Rechtsvertreter von Birkenstock u.a. auf einen Entscheid des Bundesgerichtshofes von April 2022 (I ZR 222/20), in dem dieser urteilte, dass die Gestaltung des Porsche 356 als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt ist. Birkenstock-Sprecher Jochen Gutzy: «Wenn man so will, sind wir – jedenfalls in rechtlicher Hinsicht – so etwas wie der Porsche unter den Sandalen» (Stern Online 20.02.2025).

Bundesgerichtshof verneint Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein Werk über eine hinreichende Gestaltungshöhe verfüge. Das bedeutet, dass ein gewisser gestalterischer Freiraum in künstlerischer Weise genutzt worden sein muss. Ein rein handwerkliches oder technisch bedingtes Design genüge nicht für den urheberrechtlichen Schutz. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass funktionale Anforderungen oder Marktgegebenheiten die Gestaltung erheblich beeinflussen können. Die Klägerin konnte nicht darlegen, dass ihre Sandalenmodelle eine solche Individualität aufweisen, die einen Urheberrechtsschutz rechtfertigen würden. Mit anderen Worten ergibt sich die Gestaltung der Birkenstock-Sandalen im Wesentlichen aus deren Funktion («Design follows Functionality»).

Birkenstock bleibt der Markenschutz

Es ist vielleicht ein schwacher Trost. Aber Birkenstock bleibt immerhin noch der Markenschutz. Wichtig ist darum, dass Produkte umfassend geschützt werden. Wenn ein Recht nicht durchsetzbar ist, bleiben vielleicht noch andere Rechte. Allenfalls greift als rechtliches «Auffangnetz» das Lauterkeitsrecht (s. dazu im Detail digilaw.ch Kapitel 08.02 Umfassendes Schutzrechte-Portfolio)

*I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24 (zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Artikels noch nicht publiziert); Pressemitteilung: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/2025038.html?nn=10690868

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Zwei Brückenbauer verbinden KI und Recht

Zwei Brückenbauer verbinden KI und Recht
Schaffen an der Hochschule Luzern neue Angebote, die Künstliche Intelligenz und Rechtswesen kombinieren: Alumnus Yves Zumbühl (links) und Rechtsdozent Ueli Grüter.

Sie kombinieren Künstliche Intelligenz (KI) und Recht in der neuen «AdvoLab Association» und einem neuen Fachkurs: Unser ehemaliger KI-Student Yves Zumbühl spannt mit unserem Rechtsdozenten Ueli Grüter zusammen. Die beiden zeigen, wie KI die juristische Arbeit unterstützt. Sie kooperieren an der Hochschule Luzern interdisziplinär, praxisorientiert und generationenübergreifend.

Von: Yasmin Billeter und Gabriela Bonin, Hochschule Luzern – Informatik

Wie lässt sich Künstliche Intelligenz (KI) nützlich in die juristische Arbeit integrieren? Dieser Frage sind unser Alumnus Yves Zumbühl und Dozent Ueli Grüter auf den Grund gegangen. Entstanden ist daraus ein Labor für KI und Recht: die AdvoLab Association und deren erstes Produkt, ein Tutor für das E-Learning-Tool www.digilaw.ch. Dieses wurde für den Innovationspreis der Hochschule Luzern – Wirtschaft nominiert.  

Zumbühl und Grüter haben das Startup AdvoLab Association gegründet, ein Laboratorium für den interdisziplinären Austausch. Es beleuchtet die Rahmenbedingungen und Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz (KI) auf die Rechtsbranche.

Ebenso haben die beiden ein neues E-Learning-Tool entwickelt: den digilaw.ch-Tutor. Damit können Studierende den Stoff der E-Learning-Plattform www.digilaw.ch diskutieren und repetieren. Mit einem kostenlosen GitHub-Account haben nicht nur Studierende der Hochschule Luzern freien Zugang zum digilaw.ch-Tutor, sondern alle User und Userinnen von www.digilaw.ch. Bitte beachten Sie: Der Tutor ist ein E-Learning-Tool und kein Rechtsratgeber.

Neu haben die beiden den Fachkurs ChatGPT & Co. für Juristinnen und Juristen entwickelt. An diesem eintägigen Kurs erfahren die Teilnehmenden, wie KI und Chatbots die Rechtsbranche transformieren. Sie lernen, wie sie KI schon jetzt im juristischen Alltag gewinnbringend einsetzen können. «Wir zeigen ihnen, wie sie den grössten Nutzen daraus ziehen», sagt Yves Zumbühl.

Der erste Kurs ist bereits gut gebucht. Weitere Durchführungen werden folgen. In den Kursen geht es selbstverständlich auch um kritische Fragen, so etwa darum, dass eine Nutzung von ChatGPT in gewissen Fällen das Anwaltsgeheimnis verletzen kann.

Der neue Fachkurs startet am 16. Mai vor Ort in Rotkreuz oder am 14. Juni online.
Jetzt anmelden!

Rechtsanwalt und HSLU-Dozent Ueli Grüter weiss aus eigener Erfahrung, wie man KI innovativ und gesetzeskonform einsetzen kann: «KI bietet unglaublich viele neue Möglichkeiten, die juristische Arbeit zu unterstützen», so Grüter.

Juristische Arbeit unterstützen und vereinfachen

So könne man mit KI beispielsweise eine Markenrecherche effizienter angehen, Verträge redigieren oder sich Unterstützung für das Verfassen einer Rechtsschrift holen. Ebenso kann eine KI helfen, ein neues Mandat zu analysieren. «Künstliche Intelligenz macht die juristische Arbeit nicht überflüssig, aber sie wird unsere Funktion als Juristen verändern», ist Grüter überzeugt. Sie werde Anwälte und Anwältinnen nicht ersetzen – aber Kanzleien könnten sich mit ChatGPT und anderen KI-Tools das Leben einfacher machen.

Zumbühl ist überzeugt davon, dass KI die Rechtsbranche bald grundlegend verändern wird. «Sie wird die gesamte Branche prägen», sagt Zumbühl. Er weiss, dass die Integration von KI Zeit benötigt. Gesellschaftliche Akzeptanz und rechtliche Rahmenbedingungen spielen dabei eine wesentliche Rolle. «Es wird noch eine Weile dauern, bis KI vollständig integriert ist. Technisch wäre es früher machbar», so Zumbühl. «Das war in den Anfängen des Internets ähnlich: Damals war es schwer zu verstehen, welche Veränderungen das Internet bringen würde.» Darum sei es ihm wichtig, sein Fachwissen zu teilen. Er wolle neue Erkenntnisse kommunizieren und den neuen Kurs mit Grüter zusammen kontinuierlich weiterentwickeln.

Juristinnen und Juristen sollen nicht verdrängt werden

Auch Grüter selbst bildet sich mit Hilfe von Yves Zumbühl in KI-Fragen gezielt weiter. «Juristen und Juristinnen laufen Gefahr, dass sie von der KI aus dem Arbeitsprozess hinausgedrängt werden. Ich selbst bin mehr daran interessiert, eigene KI-Projekte zu starten, bei denen ich mir die neue Expertise gleich aneigne», so Grüter. Demgegenüber baut sich Zumbühl nun mehr Wissen über das Rechtssystem auf.  

Kombinieren ihre Expertisen und die Sichtweisen aus zwei Generationen: KI-Experte Yves Zumbühl (links) ist dreissig Jahre jünger als Rechtsdozent Ueli Grüter.

Über Fachbereiche und Generationen hinaus zusammenarbeiten

Dabei macht die Zusammenarbeit zwischen Yves Zumbühl, dem KI-Experten und Vertreter der Millennial-Generation, und Ueli Grüter, dem Rechtsanwalt mit über 25 Jahren Berufserfahrung, «sehr viel Spass». Die beiden arbeiten «nicht nur interdisziplinär, sondern auch generationenübergreifend», so Grüter. Das sei für ihn bereichernd, aber auch für die Sache an sich und seine Lehre an der Hochschule.  

Unsere Zusammenarbeit ist ein Match:  Ueli Grüter versteht, was Anwältinnen und Anwälte brauchen. Ich weiss, wie man KI auf Geschäftsfälle anwendet. Yves Zumbühl, KI-Experte

Auch Yves Zumbühl schätzt die Zusammenarbeit: Ueli Grüter sei eine innovative Persönlichkeit, offen und interessiert, so Zumbühl. «Ueli versteht, was Anwältinnen und Anwälte brauchen. Ich weiss, wie man KI auf Geschäftsfälle anwendet. Nun erkunden wir gemeinsam, was möglich ist. Unsere Zusammenarbeit ist ein Match.» 

Vom Studenten und TikToker zum Programmleiter und Forscher

Zumbühl hat sich innerhalb von ein, zwei Jahren vom KI-Studenten und einstigen HSLU-TikToker zum Programmleiter und Forscher weiterentwickelt.

Lesetipp: Mehr über Yves Zumbühls einstige Rolle als HSLU-«Creator» von TikTok-Videos im Blog-Beitrag «Die Hochschule als TikTok-Thema: KI-Student sorgt für hohe Klickraten».

Nebst den Projekten, die er mit Ueli Grüter anpackt, engagiert sich Zumbühl auch im Bereich Educational Technology (EdTech). Darunter versteht man den kombinierten Einsatz von Computerhardware, -software und Pädagogik, um das Lernen zu erleichtern. Zumbühl hat zum Beispiel das KI-Tool PaperCheck entwickelt. Es hilft Studierenden, eine bessere Abschlussarbeit zu schreiben.

Vor ihm liegen vielfältige berufliche Optionen: «Es gibt momentan unglaublich viele Möglichkeiten für jemanden wie mich, der an der HSLU KI studiert hat», sagt Zumbühl, «mir ist bewusst geworden, wie wertvoll mein KI-Bachelor wirklich ist.»

Auch im Hinblick auf seine vielen Wahlmöglichkeiten schätzt er die Kooperation mit Ueli Grüter: «Er zeigt mir, was an der HSLU alles möglich ist und wo Bedarf besteht. Ich finde es schön, Teil des HSLU-Kosmos zu sein.»

Aktualisiert am 12. Oktober 2024

Domain-Registrar Swizzonic: Unlauterer Versand von Rechnungen für nicht bestellte Dienstleistungen?

Rechnung für «Priority Support»

Seit Jahren, ja mittlerweile Jahrzehnten bin ich Kunde des Schweizer Domain-Registrars Swizzonic AG, der formaligen switchplus ag, die 2009 von der Schweizer Stiftung SWITCH, die Bereiberin einer Internet-Infrastruktur für Schweizer Hochschulen, gegründet wurde. Am 7. März 2024 habe ich von Swizzonic eine Rechnung für einen «Priority Support» im Betrag von CHF 125.85 erhalten. Zuerst war mir überhaupt nicht klar, was für eine Dienstleistung mir Swizzonic in Rechnung stellt. Ich habe diese weder bestellt noch je in Anspruch genommen. Ich habe darum Swizzonic sogleich angerufen und wollte die Rechnung stornieren lassen. Bei der Swizzonic-Hotline kam ich in eine Warteschlaufe, in der ich zuerst an neunter Stelle war. Als ich wohl nach mehr als 10 Minuten endlich an zweiter Stelle der Anrufer war, teilte mir das System mit, dass die Hotline überlastet sei und dass ich ein andermal anrufen soll … Auch wenn ich mich darüber geärgert habe, war es mindestens der Beweis, dass ich bei Swizzonic keinen «Priorioty Support» erhalte 🙂 In der Folge habe ich Swizzonic per Online-Formular kontaktiert und geschrieben, es müsse sich bei der Rechnung entweder «um einen Fehler oder um möglichen unlauteren Wettbewerb» handeln. Dazu hat Swizzonic keine Stellung genommen, hat jedoch die Rechnung ohne weiteres storniert. Bei einem Kontakt mit einem Journalisten wurde ich darauf hingewiesen, dass ich möglicherweise einige Zeit vor der nämlichen Rechnung ein Info-Mail von Swizzonic betreffend den genannten «Priority Support» erhalten hätte. Effektiv hat mir Swizzonic am 29. Dezember (sic!) 2023 ein Mail gesandt u.a. mit folgender Info: […] wir haben gute Nachrichten für Sie! Da Sie zu unseren Premium-Kunden gehören [Ich wusste gar nicht, dass ich bei Swizzonic «Premium Kunde» bin 🙂 ], haben wir den neuen Service Priority Support in Ihrem Benutzerkonto für Sie freigeschaltet. Das bedeutet, dass Sie den neuen Service jetzt 4 Monate lang kostenlos nutzen können. Priority Support ist ein neues Add-on, das Ihnen deutlich kürzere Wartezeiten und einen stets vorrangigen Service bietet». Und dann ganz unten im Kleingedruckten [klassisch 🙂 ]: «Hinweis: Der kostenlose Testzeitraum beträgt 4 Monate. Bitte stellen Sie sicher, dass Sie den Priority Support Service vor dem 28. Februar 2024 manuell in Ihrem Benutzerkonto deaktivieren und/oder die standardmässige ‚automatische Verlängerungsfunktion‘ abschalten, wenn Sie den kostenpflichtigen Service nach der 4-monatigen Testphase nicht mehr in Anspruch nehmen möchten.» Dieses Mail, das grafisch als Werbung aufgemacht wurde [was es ja auch ist], wurde entweder von meinem Mail-Server direkt oder von mir ohne weitere Beachtung gelöscht. Man kann ja nicht erwarten, dass ich jede Werbung inklusive Kleingedrucktem [sic!] aufmerksam durchlese. Dass diese Aktion Swizzonic offenbar auch nicht mehr geheuer ist, belegt der Hinweis im Dashboard für Kunden: «Wenn Sie eine Rechnung für den Service Priority Support erhalten haben und nicht daran interessiert sind, den Service aktiv zu halten, fahren Sie bitte nicht mit der Zahlung fort und der Service wird automatisch deaktiviert» [sic! sic!]. Diesen «Hinweis» sieht man jedoch nicht, wenn man die per E-Mail versandte Rechnung bezahlt, ohne sich vorher in den Kundenbereich der Homepage von Swizzonic einzuloggen.

Tagi-Online 13.04.2024 Rechnung nach dem Probeabo: Wann ich zahlen muss und wann nicht
Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Dozent Hochschule Luzern HSLU, zu Abo-Fallen im Tagi-Online vom 13.04.2024

Unlauterer Wettbewerb?

Wie bereits im Online-Formular an Swizzonic geschrieben, handelt es sich bei der Rechnung von Swizzonic entweder um einen Fehler oder möglicherweise um unlauteren Wettbewerb. Nachdem Swizzonic die Rechnung zwar storniert, aber nicht als Fehler bezeichnet hat, bleibt die Frage, ob das Verhalten von Swizzonic unlauter im Sinne des Schweizer Lauterkeitsgesetzes (UWG) ist. Gemäss Generalklausel Art. 2 UWG ist «unlauter und widerrechtlich jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst». Gemäss genanntem Werbemail vom 29. Dezember 2023 hat Swizzonic scheinbar von sich aus und ohne mein Einverständnis den nämlichen «Priority Support» aktiviert. Gemäss Kleingedrucktem hätte ich in der Folge den Service nunmehr aktiv deaktivieren müssen, falls ich dafür nach vier Monaten nicht bezahlen wollte. Abgesehen von der vertraglichen Problematik, die ich nachfolgend erläutere, ist ein solches Vorgehen m.E. klar unlauter im Sinne der Generalklausel. Es ist offensichtlich, dass Swizzonic darauf spekuliert, dass ein Grossteil ihrer Kunden, die an einem «Priority Support» überhaupt nicht interessiert sind, diesen erstens im genannten Werbemail gar nicht beachtet und zweitens schon gar nicht deaktiviert. Dies verstösst klar gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 Zivilgesetzbuch, ZGB) und ist damit unlauter.

Besonders aggressive Verkaufsmethode?

Falls Swizzonic mit ihrem entsprechenden Verhalten nicht nur die Generalklausel des UWG erfüllen würde, sondern auch einen Tatbestand von Art. 3 UWG könnte dieses Verhalten gemäss Art. 23 UWG sogar strafbar sein. Dafür kommt jedoch m.E. nur der Tatbestand der «besonders aggressiven Verkaufsmethode» gemäss Art 3 Abs. 1 lit. h UWG in Frage. Art. 3 Abs. 1 lit. h setzt voraus, dass der Kunde durch die besonders aggressiven Verkaufsmethoden in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geschieht dies durch Methoden, welche eine «psychologische Zwangslage» schaffen. Der Kunde schliesst den Vertrag darauf «nicht in erster Linie aus Interesse am Vertragsgegenstand ab, sondern v.a. deshalb, weil er sich durch die auf ihn angewandte Methode zum Vertragsabschluss gedrängt, genötigt fühlt» (DIKE-UWG-Kommentar 2018, Furrer/Aepli, RZ 25 zu Art. 3 lit. h UWG). Domainnamen sind für viele Unternehmen und Privatpersonen von existenzieller Bedeutung. Diese wollen alles vermeiden, ihre Domainnamen zu verlieren. Dazu gehört vor allem, die Gebühren des entsprechenden Domain-Registrars zu bezahlen. Sogar ich als Rechtsanwalt habe es als zu riskant erachtet, die Rechnung für den «Priority Support» von Swizzonic einfach zu ignorieren (wie von Swizzonic im Kundenbereich vorgeschlagen, s. vorne) und habe von Swizzonic die Stornierung und deren Bestätigung verlangt. So werden erst recht juristische Laien die Rechnung sicherheitshalber bezahlen. D.h. sie fühlen sich im Sinne der genannten bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus den Umständen zur Zahlung gedrängt, auch wenn sie an der nämlichen Dienstleistung keinerlei Interesse haben.

Vertrag zustande gekommen?

Gemäss Art. 1 des Schweizer Obligationenrechts (OR) ist zum Abschluss eines Vertrages die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich, auch wenn diese auch stillschweigend (Grundsatz von Treu und Glauben, Art. 2 Abs. 1 ZGB) erfolgend kann. Ohne Willenserklärung, kein Vertrag. Mindestens in meinem Fall ist denn auch unabhängig von der Frage des lauteren oder unlauteren Verhaltens von Swizzonic a priori kein Vertrag zustande gekommen. Ich habe zu keinem Zeitpunkt weder ausdrücklich noch stillschweigend (Art. 1 Abs. 2 OR) einen Willen kundgetan, einen Vertrag über die Dienstleistung eines «Priority Supports» abzuschliessen. Insbesondere habe ich offensichtlich diesen Dienst auch nicht in der Gratis-Testphase in Anspruch genommen. Hätte ich dies getan, wäre die juristische Ausgangslage evtl. anders, insbesondere, wenn man mich bei der Inanspruchnahme explizit auf die Konditionen hingewiesen hätte. Aber auch in diesem Fall müsste Swizzonic m.E. die nachfolgend beschriebene «Best Practice» befolgen.

Best Practice für Swizzonic für die Zukunft

Wie erwähnt, hat man aufgrund des genannten Hinweises im Kundenbereich der Homepage von Swizzonic den Eindruck, dass dieser ihr eigenes Verhalten in der vorliegenden Sache ebenfalls nicht mehr geheuer ist. Stellt sich darum die Frage, wie man eine entsprechende Dienstleistung an bestehende Kunden herantragen soll. Es spricht m.E. nichts dagegen, einen entsprechenden Dienst für bestehende Kunden ohne deren explizites Einverständnis aktiv zu schalten, sofern die Dienstleistung für einen bestimmten Zeitraum gratis ist und die Kunden darüber zu informieren. Minimal müsste man jedoch vor Ablauf dieser Frist den Kunden rechtzeitig eine Information senden, dass die Gratis-Testphase ausläuft und der Kunde den Dienst deaktivieren muss, falls er nicht vom künftig zahlungspflichtigen Angebot Gebrauch machen möchte. Mindestens in meinem Fall ist nicht einmal dies bei Swizzonic geschehen. Ich bin aber auch der Meinung, dass auch dieses Vorgehen immer noch unlauter im Sinne der genannten Generalklausel wäre. Best Practice wäre darum m.E. wenn Swizzonic den Service zwar ungefragt aktiv schaltet, ihre Kunden darüber informiert, die Kunden, die jedoch am Dienst über die Gratis-Testphase hinaus interessiert sind, nach einer weiteren Info, die Inanspruchnahme des nunmehr zahlungspflichtigen Dienstes explizit bestätigen müssen, andernfalls der Dienst von Swizzonic wieder automatisch deaktiviert wird.

Von Swizzonic getäuscht? Was kann man tun?

Rechnung nicht bezahlen, wenn kein Vertrag entstanden
Falls, wie vorne beschrieben, in der Sache überhaupt kein Vertrag über den «Priority Support» entstanden ist, sollte man die nämliche Rechnung auch nicht bezahlen. Es ist praktisch einfacher, die Nichtbezahlung zu verteidigen, als einen bezahlten Betrag wieder zurückzuerhalten.

Rückforderung mit Hinweis auf diesen Artikel
In meinem Fall habe ich ja nicht bezahlt und Swizzonic hat die Rechnung ohne weiteres auf Anfrage storniert. Ob Swizzonic aber auch bereits bezahlte Rechnungen rückerstattet, kann nicht zwingend daraus geschlossen werden. Nichtsdestrotz würde ich auch in diesem Fall Swizzonic vorab mittels Online-Formular kontkatieren, die Rückerstattung verlangen und evtl. auf diesen Artikel auf juristenfutter.ch hinweisen.

Beschwerde an Lauterkeitskommission
Sollte Swizzonic den Betrag trotzdem nicht rückerstatten, könnte in einem nächsten Schritt eine Beschwerde an die Schweizerische Lauterkeitskommission ratsam sein. Die Schweizerische Lauterkeitskommission, eine eine neutrale, unabhängige, private Institution der Kommunikationsbranche zum Zweck der werblichen Selbstkontrolle. Sie bezeichnete im Fall Nr. 344/08 die Zustellung einer Rechnung für eine nicht bezogene Internetdienstleistung ausdrücklich als unlauter i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. h UWG (DIKE-UWG-Kommentar 2018, Furrer/Aepli, RZ 107 zu Art. 3 lit. h UWG). Bei einer Rechnung, wie im vorliegenden Fall, verlangt die Lauterkeitskommission auf der Rechnung selbst «eine unmissverständliche Hervorhebung, dass es sich um eine Offerte handelt» (https://www.faire-werbung.ch/de/offerte-als-rechnung-getarnt). Eine grundsätzlich kostenlose Bechwerde an die Lauterkeitskommission (https://www.faire-werbung.ch/de/beschwerde) könnte darum m.E. von Erfolg gekrönt werden, ohne entsprechendes Prozessrisiko. Eine erfolgreiche Beschwerde bei der Lautekeitskommission führt zwar nicht per se zur Rückzahlung der versehentlich oder unter Druck bezahlten Rechnung. Da Unternehmen und Organisationen jedoch auch die private Lauterkeitskommission «wie der Teufel das Weihwasser fürchten», da ein Entscheid zu einer sehr unbeliebten negativen Publicity führen kann, kann mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass eine Beschwerdegegnerin in der Sache schnell in eine gütliche Lösung einlenkt.

Zivilklage unverhältnismässig
Bei einem sehr kleinen Betrag, wie in der vorliegenden Sache, ist die Anstrengung einer Zivilklage unverhältnismässig. Ohne Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin wäre eine solche wohl kaum machbar und die entsprechenden Kosten würden den Streitwert um ein vielfaches übrsteigen. Solch kleine Beträge sind in der Regel auch bei Rechtsschutzversicherungen nicht gedeckt bzw. fallen unter den Selbstbehalt.

Strafklage nur als ultima ratio
Wie erwähnt, wäre in der Sache evtl. auch eine Strafklage möglich. Erfahrungsgemäss ist das Kostenrisiko bei Strafklagen auch bedeutend geringer. Die Möglichkeit einer Strafklage würde ich jedoch vorliegend nur als letztes Mittel wählen und ebenfalls nur mit Unterstützung eines Rechtsanwalts, einer Rechtsanwältin.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Aktualisiert am 16. April 2024

ChatGPT &. Co. im juristischen Alltag

In meinem Alltag als Rechtsanwalt und Dozent mache ich immer wieder neue Erfahrungen mit der Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI), wie nun auch mit Chatbots, die ich mit diesem Post auf juristenfutter.ch einmal weitergeben möchte. Weitere Erfahrungen werde ich in einem separaten Kapitel auf digilaw.ch laufend publizieren: 14.03.04 Chatbots – ChatGPT & Co.

Dialog mit Maschine

Im herkömmlichen Sinne ist ein «Chatbot» oder kurz «Bot» ein textbasiertes Dialogsystem, das das Chatten (engl. für Unterhalten) mit einem technischen System erlaubt1. Neuere Chatbots, wie ChatGPT von OpenAI, setzen dafür nun auch künstliche Intelligenz ein2. Dabei spricht man von einem Sprachmodell. Basierend auf ein Training mit Informationen, wie Texten und Bildern, wird der Chatbot bzw. das zugrundeliegende Sprachmodell z.B. befähigt einen allgemeinen Dialog zu führen, die User bei Recherchen mittels entsprechender Informationen zu unterstützen, Texte in andere Sprachen zu übersetzen (z.B. DeepL) oder sogar gewünschte Bilder zu kreieren (z.B. DALL-E von OpenAI; in ChatGPT integriert!). So steht denn das «GPT» bei «ChatGPT» für «Generative Pre-trained Transformer».

Entscheidend für Arbeit mit Chatbots sind Prompts

Entscheidend für die Arbeit mit Chatbots sind die sogenannten Prompts. Bei einem Prompt in Bezug auf Chatbots handelt es sich um eine Eingabeaufforderung oder einen Text, den ein User eingibt, um eine Interaktion mit dem Chatbot zu starten oder fortzusetzen. Im Wesentlichen ist der Prompt die Frage oder Anweisung des Users, auf die der Chatbot reagiert. Dies kann eine einfache Frage, eine detaillierte Anfrage oder eine Anleitung für eine spezifische Aufgabe sein. Der Chatbot verarbeitet diese Prompts, um entsprechende Antworten zu generieren. Nachfolgend wird auf die Verwendung von Prompts in der Anwendung von Chatbots im juristischen Kontext eingegangen.

Zum gleichen Thema im gleichen Chat weiterarbeiten

Wie erwähnt, tritt der Chatbot mit dem User in einen Dialog. Das bedeutet insbesondere auch, dass der Chatbot die bisherigen Prompts und ausgegebenen Informationen nicht vergisst, sondern auch im weiteren Dialog mitberücksichtigt. Dafür sollte man aber für das gleiche Thema im gleichen Chat bleiben. ChatGPT kann übrigens, bei entsprechender Einstellung, bisherige Chats speichern, sodass man zu einem späteren Zeitpunkt mit der Recherche im gleichen Chat weiterfahren kann.

Chatbot als unermüdlicher Arbeiter – Der ideale ergänzende Tutor

Ein Chatbot ist wie ein Roboter ein unermüdlicher Arbeiter. D.h. man kann so viele Fragen stellen, wie man will, bei der Vertragsredaktion x-beliebig viele Vorschläge bzw. Varianten verlangen; dasselbe auch bei der Kreation der juristisch idealen Marke (s. dazu nachfolgend). Während also ein Lehrer oder eine Dozentin nach ein paar Mal fragen ungeduldig wird, lässt ein Chatbot dies unbeeindruckt über sich ergehen. Der Chatbot ist darum in Ergänzung zu Lehrerin und Dozent ein idealer Tutor.

Erfahrungen mit ChatGPT im juristischen Alltag

In meinem Alltag als Rechtsanwalt und Dozent mache ich immer wieder neue Erfahrungen mit der Anwendung von künstlicher Intelligenz, wie nun auch Chatbots, die ich in diesem Kapitel laufend weitergebe. Bei den Chatbots setze ich aktuell ChatGPT 4 von OpenAI ein, der kostenpflichtig abonniert werden kann (CHF 20/Monat; 18.11.2023). Die kostenlose Vorgängerversion 3.5 ist nach meiner Erfahrung etwas weniger genau und detailliert in den Antworten, kann aber in der hier beschriebenen Art ebenfalls bereits sehr hilfreich sein. Neben ChatGPT von OpenAI gibt es z.B. auch die entsprechenden Chatbots «Bard» von Google und «Copilot with Bing Chat» integriert im Internet-Browser «Edge» von Microsoft. Mit diesen habe ich jedoch nur sehr wenig Erfahrung, benutze sie praktisch nicht in meinem juristischen Alltag. ChatGPT zieht übrigens «Bing» von Microsoft in seiner Recherche mit ein. Dies soll das Manko beheben, dass ChatGPT aktuell (Auskunft ChatGPT 19.11.2023) nur mit Informationen bis April 2023 trainiert worden ist.

Zu betonen ist, dass Chatbots, wie auch ChatGPT, im juristischen Bereich die Arbeit wesentlich unterstützen können. Sie sind aber nicht fehlerfrei und können sogar «halluzinieren», wie man in diesem Kontext sagt, d.h. Antworten schlicht erfinden. Manchmal scheinen die Resultate plausibel, sind aber trotzdem nicht richtig. Dies bedeutet, dass sämtliche Resultate über weitere Quellen validiert bzw. verifiziert werden müssen (s. dazu auch NZZ 30.07.2023 Alexander Behrens von Allen & Overy, Frankfurt, zur Anwendung von KI in der Anwaltspraxis). Schon gar nicht ersetzen die Chatbots Juristinnen und Rechtsanwälte. ChatGPT weist sogar regelmässig darauf hin, dass man für entsprechende juristische Fragen eine Rechtsanwältin, einen Rechtsanwalt beiziehen soll :-).

ChatGPT gibt’s neben der Online-Version auch als Windows, iOS und Android App.



Unterschied zur Recherche mit Google & Co.

Wie unterscheidet sich die herkömmliche Recherche mittels Suchmaschinen, wie «Google Suche», von der neuen Möglichkeit der Recherche mittels Chatbot, wie ChatGPT? Wenn ich bei Google & Co. recherchiere, gebe ich der Suchmaschine ein paar Stichworte und diese zeigt mir dann Websites an, wo es Informationen dazu gibt. Bei einem Chatbot stelle ich in der Regel eine Frage zu einem bestimmten Thema und erhalte dann von diesem nicht eine Auswahl von Antworten, sondern eine einzige Antwort. Der Vorteil eines Chatbots ist, dass ich mich beim Rechercheresultat nicht durch mehrere Webseiten wühlen muss, sondern eine konzise Antwort erhalte. Das spart (enorm) Zeit. Dieser Vorteil bei der Recherche mit einem Chatbot ist auch gleich ein Nachteil. Der Chatbot nimmt für mich bereits eine Auswahl der Informationen vor, worauf ich selber keine Auswahl mehr habe. Diesbezüglich muss man aber zugunsten des Chatbots anmerken, dass dieser regelmässig auch auf verschiedene Möglichkeiten, Meinungen usw. hinweist.

Juristische Auskünfte von ChatGPT

Chatbots sind m.E. aktuell nicht in der Lage, einem User einen umfassenden Einstieg in einen juristischen Bereich, z.B. Datenschutz, zu vermitteln. Dazu dienen nach wie vor entsprechende Artikel und Bücher von Juristinnen und Juristen «in Fleisch und Blut». Aber bereits, wenn man sich so in ein Thema einliest, kann man m.E. sehr gut z.B. Verständnisfragen an einen Chatbot richten. Möglich ist m.E. auch, in einem bestimmten Fall das juristische Vorgehen abzufragen. So wurde ich z.B. «Opfer» einer Annullierung eines Fluges und habe dann ChatGPT gefragt, wie ich nun vorgehen soll, wenn ich dafür von der Fluggesellschaft eine Entschädigung verlangen möchte. Das Resultat war sehr hilfreich.

Auch wenn ich mich, nota bene als Rechtsanwalt, bei der Recherche nicht einfach auf die Resultate eines Chatbots verlassen darf, gibt mir dieser mindestens sehr schnell Anhaltspunkte zu einem juristischen Problem. Basierend auf diesen kann ich dann entweder wiederum mittels Chatbot oder mittels anderer Quellen, wie Suchmaschinen oder juristischen Datenbanken, wie z.B. Swisslex, weiter recherchieren. Inputs von Chatbots sind darum bereits sehr wertvoll, weil sie einerseits juristische Inspiration liefern und andererseits zu einer Zeitersparnis führen.

Vertragsredaktion mit Unterstützung von ChatGPT

Bei der Redaktion von Verträgen können Chatbots, wie ChatGPT, sowohl zur Erstellung von Checklisten, als auch von Musterverträgen dienen. Letztere können, im Vergleich zu herkömmlichen Musterverträgen, mit den entsprechenden Fakten bereits auf einen konkreten Fall massgeschneidert werden. Bei der Unterstützung der Vertragsredaktion sind die bereits erwähnten Prompts besonders wichtig. Man muss dem Chatbot möglichst genau sagen, was man will; nach Möglichkeit auch die dem gewünschten Vertrag zugrundeliegenden Fakten eingeben. Bei einem Mustervertrag sollte man auch definieren, wie umfangreich das Muster sein soll. Man kann aber auch später vom Chatbot verlangen, dass er zu einer bestimmten Vertragsklausel eine umfangreichere, evtl. auch stärker auf den Fall bezogene Version liefert. So kann der Chatbot, step by step, bei der Redaktion eines Vertrages behilflich sein.

Kreation der juristisch idealen Marke mit ChatGPT

Die juristisch ideale Marke ist m.E. eine Marke, die aus einem Begriff besteht, der in Bezug auf das mit der Marke benannte Produkt Assoziationen weckt, jedoch keine eindeutigen, sodass die Marke nicht als beschreibend gilt, uns somit grundsätzlich registriert werden kann (s. dazu www.digilaw.ch Kapitel 08.06.01 Die ideale Marke). Ein Chatbot, wie hier konkret ChatGPT, kann bei einer solchen Markenkreation hilfreich sein. Für die Kreation einer Marke für eine spezielle Schokolade mit Orangengeschmack kann man z.B. folgende Anweisung geben: «Kofferwort3 mit Bestandteilen ‚Schokolade‘ und ‚Orange‘, wobei immer beide Worte im Kofferwort vorkommen müssen». Da es dem Chatbot egal ist, wie viele Vorschläge er machen muss, sollte man ihn immer wieder auffordern: «Weitere Vorschläge». Zum vorliegenden Beispiel spuckte ChatGPT z.B. folgende Vorschläge aus: «Orangolade», «Schokorangella», «Oranchobar», «Schokolorangini», «Schokorangolette», «Orankoko». Auch bei dieser Anwendung ist der Chatbot nicht perfekt, aber immerhin kann er zur Inspiration beitragen.

Analyse von Dokumenten mithilfe von ChatGPT

Seit neustem können mit der Online-Version von ChatGPT auch Dokumente analysiert werden. Z.B. kann man ein PDF hochladen und dann dazu dem Chatbot Fragen stellen. Statt, dass man das ganze Dokument durchliest, kann man dem Chatbot Fragen zu Themen im Dokument stellen, die einen besonders interessieren. Auf Nachfrage liefert ChatGPT auch Hinweise zu den Seiten, in denen er die entsprechende Information gefunden hat.

8ung! Aus Gründen des Datenschutzes und bei den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten des Anwaltsgeheimnisses dürfen keine Dokumente mit Informationen auf ChatGPT hochgeladen werden, die nicht schon öffentlich sind.

Das nächste «Big Thing», die KI-Agenten

In einem interessanten Artikel in der FAZ spricht der Gründer von Microsoft, Bill Gates, über das nächste grosse Ding im Internet, die KI-Agenten und gibt eine Vorschau darauf, wie diese funktionieren könnten. KI-Agenten sind weiterentwickelte Chatbots. Im Gegengensatz zu Chatbots agieren KI-Agenten auch eigenständig und im Bezug auf die Bedürfnisse der User sogar proaktiv. Die Details im FAZ-Artikel: FAZ 14.11.2023 Bill Gates: KI-Agenten sind das nächste grosse Ding im Internet.

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Chatbot, abgerufen 17.11.2023 ↩︎
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/ChatGPT, abgerufen 17.11.2023 ↩︎
  3. Ein Kofferwort ist eine Wortneuschöpfung, die durch das Zusammenfügen von Teilen mindestens zweier anderer Wörter entsteht. Der Name «Kofferwort» kommt daher, weil es ähnlich wie ein Koffer zwei oder mehr Inhalte in einem Raum vereint. Ein berühmtes Beispiel für ein Kofferwort ist «Brunch», das aus «Breakfast» (Frühstück) und «Lunch» (Mittagessen) zusammengesetzt ist (Quelle: ChatGPT 19.11.2023). ↩︎

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Aktualisiert am 19. Mai 2024

Kein Urheberrechtsschutz für KI

US-amerikanische Mehrheitsmeinung gilt auch für die Schweiz

In den USA hat Beryl A. Howell, Richterin am District Court for the District of Columbia, in der Sache «Thaler v. Perlmutter» entschieden, dass Werke, die von künstlicher Intelligenz (KI; Artifical Intelligence, AI) ohne wesentlichen oder mindestens überwiegenden menschlichen Einfluss erstellt wurden, keinen urheberrechtlichen Schutz geniessen.

Von KI erstelltes Bild «A Recent Entrance to Paradise»

«Geistige [menschliche] Schöpfung» als Schutzvoraussetzung

In der Schweiz würde ein Gericht in dieser Sache wohl gleich entscheiden. Gemäss Art. 2 Abs. 1 des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes (URG) ist eine der Voraussetzungen für urheberrechtlichen Schutz, dass es sich beim zu schützenden Werk um eine «geistige Schöpfung» handelt und diese muss «auf menschlichem Willen beruhen» (s. dazu u.a. OFK, Rehbinder/Haas/Uhlig, 2022, RZ 2 zu Art. 2 URG). Mit anderen Worten muss das Werk eben auch nach schweizerischem Recht wesentlich oder mindestens überwiegend von einem Menschen geprägt sein.

Erstellt also eine KI ein Werk (insb. Literatur, Musik, Malerei; s. Art. 2 Abs. 2 URG) mehrheitlich ohne von Menschen vorgegebenen Parametern, wäre dieses Werk auch nach schweizerischem Recht urheberrechtlich nicht geschützt. Ich gehe jedoch davon aus, dass dies aktuell in der Regel noch nicht der Fall ist, weil Programmierer/innen noch zu viel vorbestimmen. Wie stärker die Technologie aber fortschreitet, je wahrscheinlicher es wird, dass KI praktisch eigenständig, also ohne menschliche Vorgaben Werke kreieren. Will man diesen Werken ebenfalls urheberrechtlichen Schutz zukommen lassen, müsste man für die Schweiz Art. 2 Abs. 1 URG entsprechend revidieren. Dies ist bei der Revision von 2019 (in Kraft seit 2020) noch nicht passiert, obwohl es bei dieser Revision insb. um die Anpassung des Gesetzes an technologische Entwicklungen gegangen ist (s. IGE, Revision des Urheberrechts).

Hinweis: The Hollywood Reporter 18.08.2023 AI-Created Art Isn’t Copyrightable, Judge Says in Ruling That Could Give Hollywood Studios Pause

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Aktualisiert am 09. November 2023

Swiss Apples in Gefahr? Mitnichten!

Apple-Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts ist juristisch unbedenklich

Mit Urteil vom 26. Juli 2023 (B-4493/2022 – Int. Reg. 1028240 [Apfel] (fig.)) in der Sache Apple Inc. gegen Eidg. Institut für Geistiges Eigentum (IGE) hat das schweizerische Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die hier abgebildete, internationale Marke auch in der Schweiz Schutz geniessen soll. Schon die öffentliche Verhandlung vom 20. April 2023 hat die Schweizer Obstbranche und die Schweizer Medien in Aufruhr versetzt. Dabei wurden wichtige markenrechtliche Punkte ausser Acht gelassen. Bei nüchterner juristischer Betrachtung ist der Fall jedoch unbedenklich.

Marke nur für Ton-, Video- und Filmaufnahmen und -Datenträger geschützt

Inhaber von Marken können grundsätzlich nur Schutz für die Waren und/oder Dienstleistungen beanspruchen, für die die entsprechende Marke hinterlegt bzw. registriert wurde. Die hier erwähnte Marke wurde von Apple in der Warenklasse 9 hinterlegt, insbesondere für Ton-, Video- und Filmaufnahmen sowie entsprechende Datenträger. Alle anderen Waren und Dienstleistungen sind damit also nicht betroffen. Entsprechende Produzenten, also auch Obstproduzenten, müssen sich diesbezüglich keine Sorgen machen.

Inhaltsbezogene Waren

Bei den von Apple in Bezug auf die hier erwähnte Marke beanspruchten Ton-, Video- und Filmaufnahmen sowie entsprechende Datenträger handelt es sich um inhaltsbezogene Waren. «Inhaltsbezogen» bedeutet, dass die Waren erst durch deren Inhalt markenrechtlich definiert werden (z.B. ein Film über ein bestimmtes Thema). Dabei können diese Inhalte x-beliebig sein. Würden Begriffe wie «Apfel» oder entsprechende Zeichen als Marken für solche inhaltsbezogenen Waren (und Dienstleistungen) à priori nicht zugelassen, «würde dies […] [nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts] den Zweck des Markenrechts im Bereich der Inhaltswaren und die Eintragung von Marken für solche Waren und Dienstleistungen überhaupt verunmöglichen». Dafür zieht das Bundesverwaltungsgericht den jüngeren Entscheid «Butterfly» des schweizerischen Bundesgerichts analog zu (Urteil des BGer 4A_158/2022 vom 8. September 2022 E. 6.3.1 «Butterfly»). In diesem Entscheid äusserte sich das Bundesgericht grundsätzlich zu Wortmarken, die sich in der Bezeichnung einer potenziellen Form der Ware erschöpfen (hier also eines Schmetterlings). Es gehe nicht an, jedes Wortzeichen, das auf eine bestimmte denkbare, mögliche Form oder ein bestimmtes denkbares, mögliches Motiv für Gepäck, Kleider, Schuhe oder Spielzeug Bezug nehme, wegen beschreibenden Charakters vom Markenschutz auszunehmen. Andernfalls wären für diese Waren nur noch Begriffe als Marken schützbar, die sich nicht gegenständlich darstellen liessen. Dies ginge zu weit. Das Bundesgericht betont im Entscheid «Butterfly», die Marke monopolisiere nicht die Schmetterlingsform als Warenform. Auch im vorliegenden Fall wird gemäss Bundesverwaltungsgericht nicht die Apfelform als Warenform monopolisiert, doch kommt die Eintragung eines Apfelbildes einem Formmonopol näher als wenn die Wortmarke APFEL angemeldet wäre. Das hier verwendete Bild eines Apfels ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts für Inhalte von Ton-, Video- und Filmaufnahmen sowie für Inhalte von entsprechenden Datenträgern erfahrungsgemäss nicht typisch. Dass eine wesentliche Zahl von Anbietern diese Gestaltung des Apfels zum selben Thema freihalten möchte und dadurch eine aktuelle Nachfrage besteht, die durch die Marke nicht behindert werden darf, ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht ersichtlich oder zu erwarten. Aufgrund fehlender Anzeichen für einen breiten Gebrauch ausschliesslich oder massgeblich über Äpfel ist nicht von einem aktuellen Marktinteresse bzw. Freihaltebedürfnis an der Marke auszugehen.

Kein Schutz gegen Medien, die thematisch von Äpfeln handeln

Ausdrücklich weist das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil darauf hin, dass Apple das erwähnte, als Marke hinterlegte Apfelbild keinen Medien bzw. entsprechenden Ton-, Video- und Filmproduktionen entgegenhalten könne, die thematisch von Äpfeln handeln, da es sich bei der Marke explizit nicht um eine Formmarke (s. dazu https://digilaw.ch/marke) handle.

Apple-Logo ist nicht Teil des Urteils

Neben diversen Schweizer Medien erweckt sogar die Kommunikationsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts mit der Verwendung des bekannten Apple-Logos in seiner Medienmitteilung (sic!; s. https://www.bvger.ch/de/newsroom/medienmitteilungen/schutz-fuer-apples-bildmarke-1162) den Eindruck, es gehe im vorliegenden Fall um das bekannte Apple-Logo. Dies ist jedoch nicht der Fall!

Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht rechtskräftig

Das vorliegende Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes kann innert 30 Tagen seit Erhalt durch die Parteien beim Bundesgericht angefochten werden und ist damit zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags (10.08.2023) noch nicht rechtskräftig. Sollte auch noch das Bundesgericht über diesen Fall entscheiden, würde dieser Beitrag entsprechend aktualisiert.

Tipp an den Obstverband – Löschungsantrag bei Nichtgebrauch

Und zum Schluss noch einen Tipp an den Schweizer Obstverband 😉.

Sollte der Schutz der vorliegenden Marke von Apple effektiv auch für die Schweiz rechtskräftig werden, sollte sich der Obstverband ab Publikation eine fünfjährige Frist notieren. Für Marken mit Schutz in der Schweiz gilt gemäss Art. 11 f. Markenschutzgesetz (MSchG) eine Pflicht, die registrierte Marke innert fünf Jahren nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens für die hinterlegten Waren und/oder Dienstleistungen zu benützen bzw. zu gebrauchen. Bei Nichtgebrauch kann nach Art. 35a MSchG jede Person beim IGE einen Antrag auf Löschung der Marke stellen.

Die hier erwähnte Marke habe ich bis dato in der Schweiz noch nicht gesehen. Sollten Apple oder allenfalls auch Lizenznehmer von dieser die Marke innert genannter fünf Jahre in der Schweiz (oder in Deutschland –> spezielles Abkommen Schweiz-Deutschland betr. Markengebrauch) nicht entsprechend benützen, könnte insbesondere auch der Schweizer Obstverband Löschung der Marke verlangen.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Eventualvorsatz am Schweizer Himmel?

Flugtrainings und Flugshows über Schweizer Städten

Mitte Juni 2023 touchieren sich bei Baar ZG bei einem Training der Patrouille Suisse für eine Flugschau beim Jodlerfest in Zug bei Baar ZG zwei Militärjets. Dabei fiel ein Teil eines Jets auf ein Firmengelände. Beim Aufprall zersprangen die Scheiben des Hauses, durch die Glassplitter wurde eine Person leicht verletzt (20 Minuten 15.06.2023). Beim Training der Patrouille Suisse für eine Flugshow bei der Ski-WM in St. Moritz touchierte eine PC-7 das Tragseil einer SRF-Kamera. Diese krachte aus mehreren Metern ins Zielstadion (20 Minuten 19.02.2017). Der von 20 Minuten beigezogene Aviatik-Experte erachtet es als besonders grosses Risiko, wenn Flugtrainings über stark besiedeltem Gebiet durchgeführt werden und geht bei einem Pilotenfehler von strafrechtlich relevantem Verhalten aus. Zudem hat eine Recherche der Luzerner Zeitung ergeben, dass die Luftwaffe die für zivile Flugzeuge geltende Mindestflughöhe von 300 Metern unterschreiten und sogar über Städte, wie im konkreten Fall der Stadt Luzern, mit einem Abstand von lediglich 150 Metern (sic!) donnern darf (Luzerner Zeitung 21.10.2021).

Eventualvorsatz nach Gesetz und Rechtsprechung

Führen Flugtrainings, insbesondere im Zusammenhang mit Flugshows und natürlich auch diese selbst über dicht besiedeltem Gebiet, wie Städten, zu Sachbeschädigungen, Körperverletzungen oder Todesfällen, stellt sich m.E. die Frage, ob die Verantwortlichen der Luftwaffe und die ausführenden Pilotinnen und Piloten nicht nur fahrlässig, sondern sogar eventualvorsätzlich handeln, was bestraft wird wie Vorsatz (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 Strafgesetzbuch, StGB). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw. die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 147 IV 439, 447).

Eventualvorsatz am Schweizer Himmel?

Auch für einen Aviatik-Laien ist evident, dass der Absturz eines Militärjets oder eines anderen Militärflugzeugs oder Teile davon in dicht besiedeltem Gebiet, wie notabene Städten, mit grösster Wahrscheinlichkeit zu Sachbeschädigungen, Verletzungen und sogar Toten führen kann. Damit nehmen m.E. die Verantwortlichen der Luftwaffe und die ausführenden Pilotinnen und Piloten bei Flugtrainings und Flugshows über dicht besiedeltem Gebiet diese Schäden in Kauf und handeln eventualvorsätzlich, im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Einzige Ausnahme davon wäre, wenn es notwendig ist, gezielt über dicht besiedeltem Gebiet zu trainieren, weil dieses halt auch zum Schweizer Territorium gehört. Letzteres trifft aber natürlich für Flugshows und Trainings für diese in keinem Fall zu.

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Aktualisiert am 18. September 2023