Domain-Registrar Swizzonic: Unlauterer Versand von Rechnungen für nicht bestellte Dienstleistungen?

Rechnung für «Priority Support»

Seit Jahren, ja mittlerweile Jahrzehnten bin ich Kunde des Schweizer Domain-Registrars Swizzonic AG, der formaligen switchplus ag, die 2009 von der Schweizer Stiftung SWITCH, die Bereiberin einer Internet-Infrastruktur für Schweizer Hochschulen, gegründet wurde. Am 7. März 2024 habe ich von Swizzonic eine Rechnung für einen «Priority Support» im Betrag von CHF 125.85 erhalten. Zuerst war mir überhaupt nicht klar, was für eine Dienstleistung mir Swizzonic in Rechnung stellt. Ich habe diese weder bestellt noch je in Anspruch genommen. Ich habe darum Swizzonic sogleich angerufen und wollte die Rechnung stornieren lassen. Bei der Swizzonic-Hotline kam ich in eine Warteschlaufe, in der ich zuerst an neunter Stelle war. Als ich wohl nach mehr als 10 Minuten endlich an zweiter Stelle der Anrufer war, teilte mir das System mit, dass die Hotline überlastet sei und dass ich ein andermal anrufen soll … Auch wenn ich mich darüber geärgert habe, war es mindestens der Beweis, dass ich bei Swizzonic keinen «Priorioty Support» erhalte 🙂 In der Folge habe ich Swizzonic per Online-Formular kontaktiert und geschrieben, es müsse sich bei der Rechnung entweder «um einen Fehler oder um möglichen unlauteren Wettbewerb» handeln. Dazu hat Swizzonic keine Stellung genommen, hat jedoch die Rechnung ohne weiteres storniert. Bei einem Kontakt mit einem Journalisten wurde ich darauf hingewiesen, dass ich möglicherweise einige Zeit vor der nämlichen Rechnung ein Info-Mail von Swizzonic betreffend den genannten «Priority Support» erhalten hätte. Effektiv hat mir Swizzonic am 29. Dezember (sic!) 2023 ein Mail gesandt u.a. mit folgender Info: […] wir haben gute Nachrichten für Sie! Da Sie zu unseren Premium-Kunden gehören [Ich wusste gar nicht, dass ich bei Swizzonic «Premium Kunde» bin 🙂 ], haben wir den neuen Service Priority Support in Ihrem Benutzerkonto für Sie freigeschaltet. Das bedeutet, dass Sie den neuen Service jetzt 4 Monate lang kostenlos nutzen können. Priority Support ist ein neues Add-on, das Ihnen deutlich kürzere Wartezeiten und einen stets vorrangigen Service bietet». Und dann ganz unten im Kleingedruckten [klassisch 🙂 ]: «Hinweis: Der kostenlose Testzeitraum beträgt 4 Monate. Bitte stellen Sie sicher, dass Sie den Priority Support Service vor dem 28. Februar 2024 manuell in Ihrem Benutzerkonto deaktivieren und/oder die standardmässige ‚automatische Verlängerungsfunktion‘ abschalten, wenn Sie den kostenpflichtigen Service nach der 4-monatigen Testphase nicht mehr in Anspruch nehmen möchten.» Dieses Mail, das grafisch als Werbung aufgemacht wurde [was es ja auch ist], wurde entweder von meinem Mail-Server direkt oder von mir ohne weitere Beachtung gelöscht. Man kann ja nicht erwarten, dass ich jede Werbung inklusive Kleingedrucktem [sic!] aufmerksam durchlese. Dass diese Aktion Swizzonic offenbar auch nicht mehr geheuer ist, belegt der Hinweis im Dashboard für Kunden: «Wenn Sie eine Rechnung für den Service Priority Support erhalten haben und nicht daran interessiert sind, den Service aktiv zu halten, fahren Sie bitte nicht mit der Zahlung fort und der Service wird automatisch deaktiviert» [sic! sic!]. Diesen «Hinweis» sieht man jedoch nicht, wenn man die per E-Mail versandte Rechnung bezahlt, ohne sich vorher in den Kundenbereich der Homepage von Swizzonic einzuloggen.

Tagi-Online 13.04.2024 Rechnung nach dem Probeabo: Wann ich zahlen muss und wann nicht
Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Dozent Hochschule Luzern HSLU, zu Abo-Fallen im Tagi-Online vom 13.04.2024

Unlauterer Wettbewerb?

Wie bereits im Online-Formular an Swizzonic geschrieben, handelt es sich bei der Rechnung von Swizzonic entweder um einen Fehler oder möglicherweise um unlauteren Wettbewerb. Nachdem Swizzonic die Rechnung zwar storniert, aber nicht als Fehler bezeichnet hat, bleibt die Frage, ob das Verhalten von Swizzonic unlauter im Sinne des Schweizer Lauterkeitsgesetzes (UWG) ist. Gemäss Generalklausel Art. 2 UWG ist «unlauter und widerrechtlich jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusst». Gemäss genanntem Werbemail vom 29. Dezember 2023 hat Swizzonic scheinbar von sich aus und ohne mein Einverständnis den nämlichen «Priority Support» aktiviert. Gemäss Kleingedrucktem hätte ich in der Folge den Service nunmehr aktiv deaktivieren müssen, falls ich dafür nach vier Monaten nicht bezahlen wollte. Abgesehen von der vertraglichen Problematik, die ich nachfolgend erläutere, ist ein solches Vorgehen m.E. klar unlauter im Sinne der Generalklausel. Es ist offensichtlich, dass Swizzonic darauf spekuliert, dass ein Grossteil ihrer Kunden, die an einem «Priority Support» überhaupt nicht interessiert sind, diesen erstens im genannten Werbemail gar nicht beachtet und zweitens schon gar nicht deaktiviert. Dies verstösst klar gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 Abs. 1 Zivilgesetzbuch, ZGB) und ist damit unlauter.

Besonders aggressive Verkaufsmethode?

Falls Swizzonic mit ihrem entsprechenden Verhalten nicht nur die Generalklausel des UWG erfüllen würde, sondern auch einen Tatbestand von Art. 3 UWG könnte dieses Verhalten gemäss Art. 23 UWG sogar strafbar sein. Dafür kommt jedoch m.E. nur der Tatbestand der «besonders aggressiven Verkaufsmethode» gemäss Art 3 Abs. 1 lit. h UWG in Frage. Art. 3 Abs. 1 lit. h setzt voraus, dass der Kunde durch die besonders aggressiven Verkaufsmethoden in seiner Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt wird. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung geschieht dies durch Methoden, welche eine «psychologische Zwangslage» schaffen. Der Kunde schliesst den Vertrag darauf «nicht in erster Linie aus Interesse am Vertragsgegenstand ab, sondern v.a. deshalb, weil er sich durch die auf ihn angewandte Methode zum Vertragsabschluss gedrängt, genötigt fühlt» (DIKE-UWG-Kommentar 2018, Furrer/Aepli, RZ 25 zu Art. 3 lit. h UWG). Domainnamen sind für viele Unternehmen und Privatpersonen von existenzieller Bedeutung. Diese wollen alles vermeiden, ihre Domainnamen zu verlieren. Dazu gehört vor allem, die Gebühren des entsprechenden Domain-Registrars zu bezahlen. Sogar ich als Rechtsanwalt habe es als zu riskant erachtet, die Rechnung für den «Priority Support» von Swizzonic einfach zu ignorieren (wie von Swizzonic im Kundenbereich vorgeschlagen, s. vorne) und habe von Swizzonic die Stornierung und deren Bestätigung verlangt. So werden erst recht juristische Laien die Rechnung sicherheitshalber bezahlen. D.h. sie fühlen sich im Sinne der genannten bundesgerichtlichen Rechtsprechung aus den Umständen zur Zahlung gedrängt, auch wenn sie an der nämlichen Dienstleistung keinerlei Interesse haben.

Vertrag zustande gekommen?

Gemäss Art. 1 des Schweizer Obligationenrechts (OR) ist zum Abschluss eines Vertrages die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien erforderlich, auch wenn diese auch stillschweigend (Grundsatz von Treu und Glauben, Art. 2 Abs. 1 ZGB) erfolgend kann. Ohne Willenserklärung, kein Vertrag. Mindestens in meinem Fall ist denn auch unabhängig von der Frage des lauteren oder unlauteren Verhaltens von Swizzonic a priori kein Vertrag zustande gekommen. Ich habe zu keinem Zeitpunkt weder ausdrücklich noch stillschweigend (Art. 1 Abs. 2 OR) einen Willen kundgetan, einen Vertrag über die Dienstleistung eines «Priority Supports» abzuschliessen. Insbesondere habe ich offensichtlich diesen Dienst auch nicht in der Gratis-Testphase in Anspruch genommen. Hätte ich dies getan, wäre die juristische Ausgangslage evtl. anders, insbesondere, wenn man mich bei der Inanspruchnahme explizit auf die Konditionen hingewiesen hätte. Aber auch in diesem Fall müsste Swizzonic m.E. die nachfolgend beschriebene «Best Practice» befolgen.

Best Practice für Swizzonic für die Zukunft

Wie erwähnt, hat man aufgrund des genannten Hinweises im Kundenbereich der Homepage von Swizzonic den Eindruck, dass dieser ihr eigenes Verhalten in der vorliegenden Sache ebenfalls nicht mehr geheuer ist. Stellt sich darum die Frage, wie man eine entsprechende Dienstleistung an bestehende Kunden herantragen soll. Es spricht m.E. nichts dagegen, einen entsprechenden Dienst für bestehende Kunden ohne deren explizites Einverständnis aktiv zu schalten, sofern die Dienstleistung für einen bestimmten Zeitraum gratis ist und die Kunden darüber zu informieren. Minimal müsste man jedoch vor Ablauf dieser Frist den Kunden rechtzeitig eine Information senden, dass die Gratis-Testphase ausläuft und der Kunde den Dienst deaktivieren muss, falls er nicht vom künftig zahlungspflichtigen Angebot Gebrauch machen möchte. Mindestens in meinem Fall ist nicht einmal dies bei Swizzonic geschehen. Ich bin aber auch der Meinung, dass auch dieses Vorgehen immer noch unlauter im Sinne der genannten Generalklausel wäre. Best Practice wäre darum m.E. wenn Swizzonic den Service zwar ungefragt aktiv schaltet, ihre Kunden darüber informiert, die Kunden, die jedoch am Dienst über die Gratis-Testphase hinaus interessiert sind, nach einer weiteren Info, die Inanspruchnahme des nunmehr zahlungspflichtigen Dienstes explizit bestätigen müssen, andernfalls der Dienst von Swizzonic wieder automatisch deaktiviert wird.

Von Swizzonic getäuscht? Was kann man tun?

Rechnung nicht bezahlen, wenn kein Vertrag entstanden
Falls, wie vorne beschrieben, in der Sache überhaupt kein Vertrag über den «Priority Support» entstanden ist, sollte man die nämliche Rechnung auch nicht bezahlen. Es ist praktisch einfacher, die Nichtbezahlung zu verteidigen, als einen bezahlten Betrag wieder zurückzuerhalten.

Rückforderung mit Hinweis auf diesen Artikel
In meinem Fall habe ich ja nicht bezahlt und Swizzonic hat die Rechnung ohne weiteres auf Anfrage storniert. Ob Swizzonic aber auch bereits bezahlte Rechnungen rückerstattet, kann nicht zwingend daraus geschlossen werden. Nichtsdestrotz würde ich auch in diesem Fall Swizzonic vorab mittels Online-Formular kontkatieren, die Rückerstattung verlangen und evtl. auf diesen Artikel auf juristenfutter.ch hinweisen.

Beschwerde an Lauterkeitskommission
Sollte Swizzonic den Betrag trotzdem nicht rückerstatten, könnte in einem nächsten Schritt eine Beschwerde an die Schweizerische Lauterkeitskommission ratsam sein. Die Schweizerische Lauterkeitskommission, eine eine neutrale, unabhängige, private Institution der Kommunikationsbranche zum Zweck der werblichen Selbstkontrolle. Sie bezeichnete im Fall Nr. 344/08 die Zustellung einer Rechnung für eine nicht bezogene Internetdienstleistung ausdrücklich als unlauter i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. h UWG (DIKE-UWG-Kommentar 2018, Furrer/Aepli, RZ 107 zu Art. 3 lit. h UWG). Bei einer Rechnung, wie im vorliegenden Fall, verlangt die Lauterkeitskommission auf der Rechnung selbst «eine unmissverständliche Hervorhebung, dass es sich um eine Offerte handelt» (https://www.faire-werbung.ch/de/offerte-als-rechnung-getarnt). Eine grundsätzlich kostenlose Bechwerde an die Lauterkeitskommission (https://www.faire-werbung.ch/de/beschwerde) könnte darum m.E. von Erfolg gekrönt werden, ohne entsprechendes Prozessrisiko. Eine erfolgreiche Beschwerde bei der Lautekeitskommission führt zwar nicht per se zur Rückzahlung der versehentlich oder unter Druck bezahlten Rechnung. Da Unternehmen und Organisationen jedoch auch die private Lauterkeitskommission «wie der Teufel das Weihwasser fürchten», da ein Entscheid zu einer sehr unbeliebten negativen Publicity führen kann, kann mit grosser Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass eine Beschwerdegegnerin in der Sache schnell in eine gütliche Lösung einlenkt.

Zivilklage unverhältnismässig
Bei einem sehr kleinen Betrag, wie in der vorliegenden Sache, ist die Anstrengung einer Zivilklage unverhältnismässig. Ohne Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin wäre eine solche wohl kaum machbar und die entsprechenden Kosten würden den Streitwert um ein vielfaches übrsteigen. Solch kleine Beträge sind in der Regel auch bei Rechtsschutzversicherungen nicht gedeckt bzw. fallen unter den Selbstbehalt.

Strafklage nur als ultima ratio
Wie erwähnt, wäre in der Sache evtl. auch eine Strafklage möglich. Erfahrungsgemäss ist das Kostenrisiko bei Strafklagen auch bedeutend geringer. Die Möglichkeit einer Strafklage würde ich jedoch vorliegend nur als letztes Mittel wählen und ebenfalls nur mit Unterstützung eines Rechtsanwalts, einer Rechtsanwältin.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Aktualisiert am 16. April 2024

Zeitungen und Texte hören statt lesen

Als Jurist muss ich sehr viel lesen. Das ist oft mühsam. Darum lasse ich mir zwischenzeitlich fast alles vorlesen. Und das funktioniert bei der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) z.B. so. Ich lese die NZZ auf dem iPad oder dem iPhone. Ein Artikel, der mich interessiert, sende ich in der Folge über die «Teilen-Funktion» auf die App Voice Dream. Dort kann ich mir dann den Text mittels diverser Stimmen vorlesen lassen (m.E. ist „Hans“ die angenehmste Stimme). Die Sache funktioniert übrigens auch mit PDFs und kompletten DRM-freien E-Books*. Damit wird jedes E-Book zum Hörbuch! PDFs müssen mit OCR-Zeichenerkennung bearbeitet sein. Dies kann man nun auch direkt in Voice Dream erledigen. Offline-Texte, insbesondere Bücher, scannt man am besten mit der App «Scanner Pro» von Readdle (mit automatische OCR-Zeichenerkennung; die neue Scan-App von Voice Dream taugt m.E. nicht) und übernimmt sie dann ebenfalls mit der Funktion «Teilen» als PDF oder Text in die App Voice Dream. Seit ich mir Zeitungen vorlesen lasse, nutze ich den entsprechenden Content so intensiv, wie noch nie. Die Sache bedingt natürlich, dass man Texte auch gerne hört, was nicht jedermanns Sache ist. Ich hoffe, Sie gehören ebenfalls zu ersteren, dann ist die App Voice Dream wirklich der Hit!

*Mittels Software «Ebupor Ultimate» macht man aus E-Books mit DRM DRM-freie E-Books!

Und noch ein Tipp. Zum Lernen von Texten mittels «Text to Speech» Apps empfiehlt Prof. Silvia Brem, Neurowissenschaftlerin an der Uni Zürich, zudem, die Inhalte schneller zu hören (1 bis 1.5-fach). Dies führe zu einem fokussierteren Hören. Gerade wenn es um Lerninhalte gehe, sei die Redundanz wichtiger, als das Tempo. Also sollte man Lehr- bzw. Lerntexte lieber schneller hören, dafür mehrmals. Zudem hätte man dann auch mehr Zeit, sich aktiv mit dem Lerninhalt bzw. dem Stoff auseinanderzusetzen, was für den Lernerfolg ebenfalls wichtig ist (SRF 20.04.2022, Zeit sparen beim Podcast hören).

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch

Aktualisiert am 23. Mai 2022