Siegeln, Siegeln, Siegeln!

Siegelung: strafprozessuale Notbremse – Auch wenn die meisten Leute und Unternehmen davon nicht betroffen sind, ist es doch ein sehr wichtiger strafprozessualer Ratschlag, sollten Sie einmal betroffen sein!

Hausdurchsuchung – strafprozessualer Vorschlaghammer!

Eines der mächtigsten Mittel im Strafprozess ist die Hausdurchsuchung nach Art. 244 f. der schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Die Hausdurchsuchung gehört zu den Zwangsmassnahmen gemäss Art. 196 ff. StPO. Voraussetzungen für eine solche Massnahme sind nach Art. 197 StPO eine gesetzliche Grundlage (betr. Hausdurchsuchung eben Art. 244 f. StPO), ein hinreichender Tatverdacht sowie die Einhaltung des bei staatlichem Handeln allgemein gültigen Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 Bundesverfassung, BV). Letzteres bedeutet in concreto, dass eine Massnahme in Hinblick auf den strafprozessualen Zweck notwendig und geeignet sein muss und in Bezug auf den möglichen Straftatbestand nicht unverhältnismässig, also übertrieben sein darf. Praktisch muss es wahrscheinlich sein, dass man in der Wohnung bzw. im Unternehmen Informationen findet, die bei der Aufklärung der mutmasslichen Strafsache dienlich sein können. Dies ist nach meiner Erfahrung praktisch immer der Fall. Bis auf einen Fall wurden alle meine Anträge auf Hausdurchsuchung in den oft durchgeführten Strafprozessen im Immaterialgüterrecht (s. dazu digilaw.ch 08.10 Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht) immer gutgeheissen. Die prozessuale und faktische Hürde für diese Zwangsmassnahmen ist also m.E. sehr gering.

Siegelung – strafprozessuale Notbremse

Gemäss Art. 248 StPO müssen die Strafbehörden Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen (z.B. Anwaltsgeheimnis, Geschäftsgeheimnis) nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, von Amtes wegen versiegeln und dürfen jene weder einsehen noch verwenden, bis ein Zwangsmassnahmengericht auf Antrag der Strafbehörde darüber entschieden hat. Dieser Entscheid kann bis vor Bundesgericht gezogen werden. Da ein solcher Instanzenzug relativ viel Zeit in Anspruch nehmen kann, gibt die Siegelung dem bzw. der Beschuldigten ebenfalls ein mächtiges Mittel in die Hand, mit der Staatsanwaltschaft über den Umfang der Einsicht in die beschlagnahmten Informationen zu verhandeln. Praktisch wichtig ist ebenfalls, dass auch ein allfälliger Kläger, eine allfällige Klägerin während einer Sieglung keinen Einblick in die nämlichen Informationen erhält. Auch wenn die Siegelung eigentlich von Amtes wegen vorgenommen werden müsste, ist es wichtig, dass Sie einen entsprechenden Antrag vor Ort selbst stellen. Idealerweise kontaktieren Sie bereits bei der Hausdurchsuchung eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt (Rechtsanwälte/innen finden Sie z.B. hier: www.sav-fsa.ch/Anwaltssuche), die bzw. der allenfalls sogleich vor Ort kommen kann oder Sie mindestens per Telefon beraten und/oder mit der Polizei sprechen kann.

Wenn es morgens um 6 Uhr an der Tür klingelt …

Wenn es also morgens um 6 Uhr klingelt – Hausdurchsuchungen finden häufig um diese Zeit statt – und die Polizei steht mit einem Hausdurchsuchungsbefehl vor der Tür, sagen Sie zuerst «Guten Morgen, das ist aber eine Überraschung» (Kooperation ist i.d.R. eher günstiger, als Opposition ;-)) und dann aber so bald als möglich «Siegeln, Siegeln, Siegeln!». Achten Sie auch darauf, dass der Antrag auf Siegelung im Polizeiprotokoll, das Ihnen evtl. zur Unterschrift vorgelegt oder mindestens abgegeben wird, explizit erwähnt wird.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Cybercrime oder Cyberwar?

Cyberversicherungen

2017 wurde der amerikanische Lebensmittelkonzern Mondelez (Toblerone, Stimorol, Milka u.v.a.) Opfer einer Cyberattacke mit der Malware Petya bzw. NotPetya. Mondelez hat eine Cyberversicherung bei der Schweizer Versicherungsgesellschaft Zurich. Diese weigert sich jedoch den Schaden von behaupteten US$ 100 Mio. (!) zu übernehmen. Zurich wendet ein, die Police mit Mondelez enthalte einen Passus, der Risiken aus „feindlicher oder kriegsähnlicher Handlung“ durch eine „Regierung oder souveräne Macht“ ausschliesst. In der Folge hat Mondelez bei einem Gericht im US-Bundesstaat Illinois gegen Zurich Klage eingereicht. Gemäss beim Gericht eingereichter Unterlagen wurden bei Mondelez 1’700 Server und 24’000 Laptops dauerhaft beschädigt.

Ueli Grüter zum Cyberstreit zwischen Mondelez und Zurich in der Sendung 10vor10 von SRF vom 07.02.2019

Beweislast liegt bei Zurich

Da es sich um einen Versicherungsausschluss handelt, muss Zurich nun beweisen, dass die Cyberattacke gegen Mondelez ein feindliche oder kriegsähnliche Handlung einer Regierung oder einer souveränen Macht war. Dies dürfte ein sehr schwierig zu erbringender Beweis sein, da er wohl nur mittels Informationen von Geheimdiensten möglich ist, die für einen Zivilprozess wohl schwierig zu bekommen sind. Kann Zurich den Beweis nicht erbringen, wird Zurich wohl zahlen müssen. Bei der Sache Mondelez versus Zurich dürfte es sich um einen Präzedenzfall handeln, wurden doch bis jetzt nur Fälle von Cybercrime und nicht von Cyberwar gerichtlich beurteilt.

Unterschied zwischen Cybercrime und Cyberwar

Der Unterschied zwischen Cybercrime und Cyberwar ist, dass Cybercrime von Privaten begangen wird, währenddem Cyberwar von einem Staat (oder einer Volksgruppe) ausgeht (s. auch Wikipedia zur Definition des Begriffs „Krieg“: https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg).

Sind Cyberversicherungen sinnvoll?

Immer, wenn in einem Fall eine Versicherung eine Zahlung verweigert, stelle sich auch die Frage, ob sich ein solche Versicherung denn überhaupt lohnt. Dies kann man sich natürlich auch bei einer Cybersicherung fragen. Bei allen Versicherungen sind für diese Einschätzung folgende Punkte bzw. Fragen wichtig:

Welches sind die konkreten Risiken und sind sie durch die Versicherung wirklich gedeckt bzw. eben nicht ausgeschlossen?

Ist die Summe der Versicherungsdeckung genügend hoch?

Was ist bei Cyberversicherungen besonders zu beachten?

Da die Risiken für die Versicherungen im Bereich Cybercrime besonders hoch sind, neigen sie dazu, diverse Risiken vom Versicherungsschutz auszuschliessen. Aus diesem Grund ist es bei der Cyberversicherung besonders wichtig, genau hinzuschauen und auch das „Kleingedruckte“ zu lesen und kritisch zu hinterfragen. Wenn nicht klar ist, ob ein Risiko wirklich gedeckt ist oder Klauseln nicht klar sind, müssen diese Punkte unbedingt mit der Versicherung erörtert werden. In der Folge sollte sich eine Versicherung auch zur Deckung von strittige Risiken explizit und schriftlich bekennen.

Offensichtlich haben sich weder Mondelez, noch Zürich mit der Ausschlussklausel betreffend Cyberwar ausdrücklich befasst. Sonst würden sie sich jetzt nicht vor Gericht gegenüberstehen.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
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