In der analogen Welt war der Fall klar. Einen Vertrag kündigt man am sichersten per eingeschriebenem Brief. Nun gehen aber immer mehr digitale Anbieter dazu über, von ihren Kunden ausschliesslich eine Kündigung auf digitalem Weg zu verlangen.
So hat der zweitgrösste Telekomanbieter der Schweiz, Sunrise, darüber informiert, dass er inskünftig keine Abo-Kündigungen per Brief und auch nicht mehr per E-Mail akzeptiert. Bei Sunrise kann rechtsgültig nur noch per Chat oder Anruf im Call-Center gekündigt werden. Sunrise begründet die Änderung insbesondere mit der Vermeidung von Missverständnissen im Kündigungsprozess. Immer mehr Kunden hätten Bündelangebote aus Telefonie, Internet oder Fernsehen abonniert. Darum gebe es oft Unklarheiten in schriftlichen Kündigungen, und es brauche immer mehr Rückfragen, die am Telefon oder Chat im direkten Kundenkontakt geklärt werden könnten.
Aus juristischer Sicht stellt sich die Frage, ob ein digitaler Anbieter seinen Kunden vorschreiben kann, über welchen (digitalen) Kommunikationskanal er kündigen muss und ob dann eine Kündigung auf dem Postweg effektiv ungültig ist.
Bei digitalen Dauerangeboten, wie z.B. eben Telekom-Abos, handelt es sich in der Regel um Aufträge und im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Verträge (sogenannte Innominatsverträge), wie z.B. die Lizenz. Für diese Verträge gilt einerseits die Vertragsfreiheit nach Art. 19 Obligationenrecht (OR) und andererseits sieht das Gesetz für die Kündigung solcher Verträge keine besonderen Vorschriften vor.
Damit ist es den digitalen Anbietern grundsätzlich erlaubt, z.B. im Rahmen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB; s. „Verträge in digitalen Projekten“) zu bestimmen, dass Kündigungen ausschliesslich über einen bestimmten Kommunikationskanal, z.B. über ein Online-Formular erfolgen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt wären dann auch effektiv Kündigungen auf einem anderen Kanal, z.B. per Post nicht rechtsgültig.
Es fragt sich jedoch, ob eine solche Klausel nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 2 Zivilgesetzbuch (ZGB) haltbar ist. Man stelle sich vor, dass eine Kunde ein Telekom-Abo zweifelsfrei per Einschreibebrief kündigt, der Anbieter den Willen des Kunden klar erkennt, aber dann auf dem digitalen Kanal beharrt. Eine solche Haltung ist wider jede Vernunft und damit auch treuwidrig nach Art. 2 ZGB.
Zudem könnte eine solche Bestimmung in AGB auch ungewöhnlich im Sinne der Ungewöhnlichkeitsregel bei AGB (s. s. „Verträge in digitalen Projekten“) und damit wiederum nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ungültig sein, da ein Kunde eine solche Klausel in AGB nicht erwarten musste.
Schlussendlich muss bei der Kündigung über einen digitalen Kanal auch der Beweis für den Kunden gewährleistet sein. Bei Kündigungen gilt in der Regel das Zugangsprinzip. D.h. der Kunde muss vom entsprechenden System, wie bei einem eingeschriebenen Brief, einen Zeitstempel für den Moment des Zugangs erhalten; analog der Bestellungs-Bestätigung im E-Commerce gemäss Art. 3 Abs.1 lit. s Ziff. 4 Lauterkeitsgesetz (UWG; s. dazu auch „Wettbewerbsrecht in der digitalen Welt“).
Auch wenn damit nicht unmittelbar gerechnet werden muss, werden früher oder später Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob die Vorschrift eines digitalen Anbieters, einen bestimmten, ausschliesslich digitalen Kanal zur Kündigung zu benutzen, rechtens ist. Sollte ein Gericht dies bejahen, wird das Gericht oder der Gesetzgeber auch die Bedingungen bestimmen müssen, eben z.B. insbesondere die Pflicht, dem Kunden eine unmittelbare Bestätigung des Eingangs der Kündigung mit Zeitstempel zukommen zulasse.
Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch