Daten von Smartwatches und anderen Wearables bieten ein neues Spektrum an Möglichkeiten in der Beweisführung in Kriminalfällen

Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilt einen Uber-Fahrer wegen Schändung und verhängt eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Zentrales Beweismittel ist der von einer Smartwatch des Opfers aufgezeichnete Puls.
Das Opfer hatte nach einem Weihnachtsessen in einem Club gefeiert, ihre Chefin hatte später den Uber-Fahrer bestellt und sie ins Auto gesetzt. Gemäss Anklage soll der Fahrer am Zielort zur schlafenden Passagierin auf den Rücksitz gestiegen sein und dort sexuelle Handlungen an ihr vorgenommen haben. Der Beschuldigte streitet dies nicht grundsätzlich ab. Er behauptet jedoch, die Frau habe am Zielort nicht aussteigen wollen. Als er die hintere Türe geöffnet habe, habe sie ihn ins Auto gezogen und begonnen, ihn zu küssen. Sie sei aggressiv gewesen, habe sich auf ihn gesetzt, seinen Reissverschluss geöffnet und sich selbst befriedigt. Er habe Angst vor ihr gehabt und versucht, sie wegzudrücken, und immer wieder gesagt, dass er das als Taxichauffeur nicht machen dürfe. Gemäss den Daten der Fahrt kam das Uber-Fahrzeug um 3 Uhr 05 am Zielort an. Um 4 Uhr 05 übernahm der Beschuldigte einen neuen Auftrag. Die sexuellen Handlungen sollen gemäss den Aussagen des Fahrers fast eine Stunde lang gedauert haben. Weil er keinen Geschlechtsverkehr mit der Frau gewollt habe, habe sie das Auto schliesslich wütend verlassen. Er sei in eine Falle gelockt worden. Gemäss Ermittlungen der Polizei sank der Puls nach den Aufzeichnungen der Smartwatch des Opfers nach Antritt der Fahrt um 2 Uhr 41 morgens kontinuierlich bis auf 87 Schläge pro Minute ab. In diesem Bereich verblieb er auch nach der Ankunft am Zielort noch eine halbe Stunde lang. Erst um 3 Uhr 35 stieg der Puls plötzlich wieder auf über 100 Schläge pro Minute an. Das Bezirksgericht Dielsdorf verurteilt den Uber-Fahrer wegen Schändung und verhängt eine bedingte Freiheitsstrafe. Das Gericht begründet den Schuldspruch unter anderem damit, dass es schwer vorstellbar sei, dass sich die Frau während rund einer Stunde sexuell befriedigt habe, ohne dass der Fahrer aktiv mitgemacht haben soll. Auch die Daten der Pulsuhr sprächen gegen diese Version. Dann hätte nämlich der Puls gleich nach Ankunft steigen müssen. Dies lasse nur den Schluss zu, dass die Frau auch 25 Minuten nach Ankunft noch geschlafen habe (Urteil DG240 012 vom 20. 2. 2025, noch nicht rechtskräftig; Quelle: NZZ 05.03.2025).
Wearables auch in der Schweiz immer beliebter
In den letzten Jahren haben Smartwatches und andere Wearables erheblich an Beliebtheit gewonnen. Allein im Jahr 2022 nutzten in der Schweiz rund 1,2 Millionen Menschen Smartwatches, während etwa 340.000 Personen Fitness- oder Aktivitätstracker-Armbänder verwendeten. Diese Geräte erfassen kontinuierlich Daten wie Herzfrequenz, Bewegungsmuster und Schlafverhalten, die nicht nur für die persönliche Gesundheitsüberwachung wertvoll sind, sondern auch in strafrechtlichen Ermittlungen als potenzielle Beweismittel dienen können (statista.com 26.01.2024).
Bundesgericht lässt Daten von Wearables als Beweismittel zu
Gemäss der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts (6B_385/2024, 6B_390/2024, Erw. 3.3) sind von Privaten rechtmässig erlangte Beweismittel ohne Einschränkungen im Strafprozess verwertbar. Dies bedeutet, dass Daten, die durch Wearables wie Smartwatches aufgezeichnet und von den Nutzern freiwillig zur Verfügung gestellt wurden, grundsätzlich als Beweismittel in strafrechtlichen Verfahren zugelassen sind.
Praktische Anwendung von Wearable-Daten in Ermittlungen
In der Praxis können die von Wearables gesammelten Daten dazu beitragen, den Ablauf von Ereignissen zu rekonstruieren oder Alibis zu überprüfen. Bewegungsdaten können etwa Aufschluss darüber geben, ob sich eine verdächtige Person zum fraglichen Zeitpunkt am Tatort befand oder nicht. Herzfrequenzdaten könnten, wie in dem hier geschilderten Fall, Hinweise auf Stresssituationen liefern, die mit der Tat in Zusammenhang stehen könnten. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Qualität und Genauigkeit dieser Daten variieren können und daher sorgfältig im Kontext anderer Beweismittel bewertet werden müssen.
Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter