Flugtrainings und Flugshows über Schweizer Städten
Mitte Juni 2023 touchieren sich bei Baar ZG bei einem Training der Patrouille Suisse für eine Flugschau beim Jodlerfest in Zug bei Baar ZG zwei Militärjets. Dabei fiel ein Teil eines Jets auf ein Firmengelände. Beim Aufprall zersprangen die Scheiben des Hauses, durch die Glassplitter wurde eine Person leicht verletzt (20 Minuten 15.06.2023). Beim Training der Patrouille Suisse für eine Flugshow bei der Ski-WM in St. Moritz touchierte eine PC-7 das Tragseil einer SRF-Kamera. Diese krachte aus mehreren Metern ins Zielstadion (20 Minuten 19.02.2017). Der von 20 Minuten beigezogene Aviatik-Experte erachtet es als besonders grosses Risiko, wenn Flugtrainings über stark besiedeltem Gebiet durchgeführt werden und geht bei einem Pilotenfehler von strafrechtlich relevantem Verhalten aus. Zudem hat eine Recherche der Luzerner Zeitung ergeben, dass die Luftwaffe die für zivile Flugzeuge geltende Mindestflughöhe von 300 Metern unterschreiten und sogar über Städte, wie im konkreten Fall der Stadt Luzern, mit einem Abstand von lediglich 150 Metern (sic!) donnern darf (Luzerner Zeitung 21.10.2021).
Eventualvorsatz nach Gesetz und Rechtsprechung
Führen Flugtrainings, insbesondere im Zusammenhang mit Flugshows und natürlich auch diese selbst über dicht besiedeltem Gebiet, wie Städten, zu Sachbeschädigungen, Körperverletzungen oder Todesfällen, stellt sich m.E. die Frage, ob die Verantwortlichen der Luftwaffe und die ausführenden Pilotinnen und Piloten nicht nur fahrlässig, sondern sogar eventualvorsätzlich handeln, was bestraft wird wie Vorsatz (Art. 12 Abs. 2 Satz 2 Strafgesetzbuch, StGB). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist Eventualvorsatz gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw. die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt und sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 147 IV 439, 447).
Eventualvorsatz am Schweizer Himmel?
Auch für einen Aviatik-Laien ist evident, dass der Absturz eines Militärjets oder eines anderen Militärflugzeugs oder Teile davon in dicht besiedeltem Gebiet, wie notabene Städten, mit grösster Wahrscheinlichkeit zu Sachbeschädigungen, Verletzungen und sogar Toten führen kann. Damit nehmen m.E. die Verantwortlichen der Luftwaffe und die ausführenden Pilotinnen und Piloten bei Flugtrainings und Flugshows über dicht besiedeltem Gebiet diese Schäden in Kauf und handeln eventualvorsätzlich, im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. Einzige Ausnahme davon wäre, wenn es notwendig ist, gezielt über dicht besiedeltem Gebiet zu trainieren, weil dieses halt auch zum Schweizer Territorium gehört. Letzteres trifft aber natürlich für Flugshows und Trainings für diese in keinem Fall zu.
Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter
Aktualisiert am 18. September 2023