Vor kurzem haben wir einen Hyundai Ioniq Electric, also ein Elektroauto gekauft. Der Hersteller gibt eine Batteriereichweite von 280 km an. Effektiv fährt das Auto auch bei besten Bedingungen maximal 245 km. Dies entspricht einer reduzierten Reichweite von immerhin 12 %. Dies stellt u.E. ein Mangel an zugesicherten Eigenschaften nach Obligationenrecht dar. Zudem ist die Kommunikation einer entsprechenden, nicht zu erreichenden Reichweite unlauter nach Lauterkeitsgesetz (falsche Angaben über Produkte), was grundsätzlich auch ein Straftatbestand darstellt. Wir haben Hyundai Suisse aufgefordert, zur Sache Stellung zu nehmen.
Mit E-Mail vom 22. August 2017 nimmt nun Hyundai Suisse dazu Stellung und schreibt u.a.:
„Wie bereits in unserem Schreiben vom 14. Juli 2017 dargelegt, handelt es sich bei der Reichweite von 280 km um einen normierten Messlaborwert gemäss Neuem Europäischem Fahrzyklus. Im normalen Alltagsbetrieb wird es kaum möglich sein, die unter Laborbedingungen ermittelten Verbrauchswerte nachzufahren. Dies ist beispielsweise im Katalog bzw. der Preisliste entsprechend aufgeführt.“
Effektiv weist Hyundai auf der Homepage auf den «Neuen Europäischen Fahrzyklus» hin (Hyundai Ioniq Electric). Mehr steht dazu aber nicht. D.h. der Konsument müsste insbesondere auf dem Internet nach dem erwähnten Zyklus suchen (z.B. Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrzyklus) und müsst aus entsprechenden, extrem umfassenden und technischen Informationen ableiten, dass sein Hyundai Ioniq Elecric a priori eine Reichweite von 280 km im Alltag nie wird erreichen können. So gibt denn auch Hyundai Suisse unumwunden zu: «Im normalen Alltagsbetrieb wird es kaum möglich sein, die unter Laborbedingungen ermittelten Verbrauchswerte nachzufahren». Effektiv gibt es in Preisliste und Katalog allgemeine, und mittlerweile ja auch allgemein bekannte (!) Hinweise darauf, dass bei Autos der publizierte, theoretische Verbrauch mit dem effektiven Verbrauch nicht übereinstimmt. Dieser Hinweis wird aber nicht in Bezug auf die Reichweite von 280 km gemacht. Das ist ja eben auch nicht der Verbrauch, sondern die Reichweite.
Aus Sicht des Publikums ist aber relevant, dass effektiv mit den 280 km Reichweite Werbung gemacht wird, dass bei Elektrofahrzeugen dies die wichtigste Zahl ist, es aber gemäss Hersteller «im normalen Alltagsbetrieb [..] kaum möglich sein [wird], die unter Laborbedingungen ermittelten Verbrauchswerte nachzufahren», dies aber in unmittelbarem Bezug zur publizierten Zahl 280 nirgends steht.
Wir haben Hyundai Suisse zu einer erneuten Stellungnahme zu dieser Argumentation gebeten. In der Folge wurden wir von deren nunmehr eingeschalteten Rechtsanwalt kontaktiert. Dieser hat nun eine mit dem Lauterkeitsrecht kompatiblen Anpassung der Werbung von Hyundai betreffend der Reichweite des Hyundai Ioniq Electric in Aussicht gestellt. Der Rechtsvertreter möchte auf jeden Fall vermeiden, dass wir die Sache mittels Beschwerde vor die Lauterkeitskommission bringen. Dies scheint uns zwischenzeitlich ein adäquates Mittel zur generellen Förderung einer realitätsbezogenen und damit lauteren Kommunikation der Autoindustrie. Denn Hyundai ist ja nicht der einzige Autoproduzent, der hier offenbar eine gewisse Nonchalance an den Tag legt.
Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
Aktualisiert am 03. Dezember 2019