Können im Metaverse Verträge gültig abgeschlossen werden?

Das Metaversum oder englisch das Metaverse ist sozusagen die Weiterentwicklung des Internets. Einerseits werden mit dem Metaverse verschiedene Bereiche des Internets und andererseits das Internet mit einer virtuellen Welt (Virtual Reality, VR) oder diese untereinander bzw. diese mit der realen Welt verbunden (Mixed Reality, MR1)2. In Hinblick darauf, dass in diesem neuen Kontext auch Rechtsgeschäfte abgeschlossen werden, wird die juristische Frage diskutiert, ob im Metaverse ein Vertrag gültig abgeschlossen werden kann.

Welches Recht wird auf das Metaverse angewendet?

Wie schon beim Internet, wird, im Widerspruch zum Begriff des World Wide Web (WWW), auf Rechtsgeschäfte im Metaverse grossmehrheitlich nationales Recht angewendet.

Nachfolgend wird das auf einen, im Metaverse abgeschlossenen Vertrag anwendbare Recht aus schweizerischer Sicht bestimmt. Dafür kommt das schweizerische Gesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) zur Anwendung.

Erstens können die Parteien beim Abschluss des Vertrages das anwendbare Recht selbst wählen (Rechtswahl)3. Das ist sogar sehr ratsam, damit diesbezüglich keine Diskussionen oder sogar Rechtsstreitigkeiten entstehen. Vereinbaren die Parteien kein anwendbares Recht, untersteht der Vertrag dem Recht des Staates, mit dem er am engsten zusammenhängt. Es wird vermutet, der engste Zusammenhang bestehe mit dem Staat, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung erbringen soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder, wenn sie den Vertrag aufgrund einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit geschlossen hat, in dem sich ihre Niederlassung befindet. Als charakteristische Leistung gilt namentlich bei Veräusserungsverträgen (insb. Kaufverträgen) die Leistung des Veräusserers, bei Gebrauchsüberlassungsverträgen (z.B. Nutzung von Platz auf Servern bei Cloudverträgen) die Leistung der Partei, die eine Sache oder ein Recht zum Gebrauch überlässt, beim Auftrag (z.B. Software-Wartungsvertrag), Werkvertrag (z.B. Software-Entwicklungsvertrag) und ähnlichen Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung4. Der Arbeitsvertrag untersteht generell dem Recht des Staates, in dem die/der Arbeitnehmer/in gewöhnlich seine bzw. ihre Arbeit verrichtet5. Verträge über Immaterialgüterrechte (insb. Lizenzverträge) unterstehen generell dem Recht des Staates, in dem derjenige, der das Immaterialgüterrecht überträgt oder die Benutzung an ihm einräumt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat6. Ein wichtiger Spezialfall sind die Verträge mit Konsumentinnen und Konsumenten (Business-to-Consumer, B2C). Diese unterstehen dem Recht des Staates, in dem der/die Konsument/in seinen bzw. ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Anbieter die Bestellung in diesem Staat entgegengenommen hat oder wenn in diesem Staat dem Vertragsabschluss ein Angebot oder eine Werbung vorausgegangen ist und die Konsumentin, der Konsument in diesem Staat die zum Vertragsabschluss erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat, oder wenn der Anbieter den/die Konsumenten/in veranlasst hat, sich ins Ausland zu begeben und seine bzw. ihre Bestellung dort abzugeben7. Eine Rechtswahl ist in Konsumentenverträgen ausgeschlossen (!).

Vertragsschluss im Metaverse nach schweizerischem Recht

Wird auf einen Vertrag und dessen Abschluss im Metaverse schweizerisches Recht angewendet, kommen insbesondere Art. 1 und 11 des Obligationenrechts (OR) zur Anwendung.

Gemäss Art. 1 OR ist zum Abschluss eines Vertrages eine übereinstimmende gegenseitige Willenserklärung der Parteien erforderlich. Die Willensäusserung kann eine ausdrückliche oder eine stillschweigende sein8. Parteien können jedoch nur natürliche oder juristische Personen gemäss Art. 11 ff. des Zivilgesetzbuches (ZGB) sein. Wird für den Vertragsschluss im virtuellen Raum ein Avatar9 eingesetzt, ist dieser m.E. Mittel zum Zweck und derjenige bzw. diejenige, die diesen einsetzt, bestimmt entweder dessen Handlungen direkt oder muss sich dessen Handlungen anrechnen lassen.

Nach Art. 11 OR können Verträge generell formlos abgeschlossen werden, ausser das Gesetz verlangt für einen bestimmten Vertrag eine bestimmte Vertragsform (z.B. Beurkundung bei einem Grundstückkauf). Ist letzteres der Fall, hängt die Gültigkeit des Vertrages von der Einhaltung der Form ab10. D.h. insbesondere, dass die wichtigsten Verträge im digitalen Raum, insbesondere der Lizenzvertrag (mittlerweile wohl der meist abgeschlossene Vertrag!), der Vertrag über den Kauf von beweglichen Sachen (≠ Grundstücke), der Auftrag, der Werkvertrag und sogar der Arbeitsvertrag (ausser der Lehrvertrag) ohne besondere Form, also auch digital im Metaverse abgeschlossen werden können.

Prüfung der Identität von Vertragspartnern im Metaverse

Wie schon bisher im Internet ist die Prüfung der Identität eines Vertragspartners auch im Metaverse wichtig, aber auch eine Herausforderung, insbesondere auch beim Einsatz von Avataren. Eine Hilfe kann dabei die qualifizierte digitale Signatur nach schweizerischem Recht sein11. Zu beachten ist, dass diese nur dann gültig ist, wenn auf das Vertragsverhältnis schweizerisches Recht zur Anwendung kommt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Verträge nach schweizerischem Recht im Metaverse problemlos abgeschlossen werden können, ausser das Gesetz verlangt bei wenigen Ausnahmen die Einhaltung einer bestimmten Form. Damit ist für den neuen Kontext des Metaverse keine Gesetzesanpassung notwendig, ausser der Gesetzgeber möchte, dass inskünftig z.B. auch Beurkundungen online bzw. im Metaverse durchgeführt werden können.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

1 https://de.wikipedia.org/wiki/Mixed_reality
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Metaversum
3 Art. 116 IPRG
4 Art. 117 IPRG
5 Art. 121 IPRG
6 Art. 122 IPRG
7 Art. 120 IPRG
8 s. dazu auch digilaw.ch 04.01 Zustandekommen eines Vertrages
9 Avatar: eine künstliche Person oder eine Grafikfigur, die einem Internetbenutzer in der virtuellen Welt zugeordnet wird (https://de.wikipedia.org/wiki/Avatar_(Internet))
10 s. dazu auch digilaw.ch 04.03 Form von Verträgen
11 s. dazu auch digilaw.ch 04.04 Qualifizierte digitale Signatur

Keine Mietzinsreduktion bei behördlich angeordneter Temperaturreduktion

asf

Bild von ri auf Pixabay

Gemäss Medienberichten (u.a. SonntagsZeitung, Blick) befürchtet der Schweizerische Verband der Immobilienwirtschaft (Svit), dass bei einer, im Krisenfall behördlich angeordneten Reduktion der Raumtemperatur auf maximal 19 Grad bei mittels Gas geheizten Wohnungen, Mieterinnen und Mieter erfolgreich Mietzinsreduktionen nach Art. 259d Obligationenrecht (OR) einklagen könnten. Dabei bezieht sich der Svit auf eine Rechtsprechung des Bundesgerichts, nach der ein Vermieter gemäss Art. 256 OR verpflichtet ist, die Mietsache in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu erhalten. Der Mieter einer kalten Wohnung kann nach Art. 259a ff. OR vorgehen und die Behebung des Mangels durch den Vermieter verlangen oder allenfalls eine Mietzinsreduktion verlangen (s. dazu detailliert und mit Angabe von Rechtsprechung und Literatur: Thomas Elmiger, «Streitpunkt Raumtemperatur», 10.2020 auf www.zeitschrift-wohnen.ch).

Diese Rechtsprechung kann jedoch m.E. bei einer behördlich angeordneten Temperaturreduktion aufgrund einer Energiekrise in Analogie zu Art. 119 OR und nach Art. 2 Abs. 1 Zivilgesetzbuch (ZGB) nicht angewandt werden. Denn in diesem Fall befolgt der Vermieter ja eine behördliche Vorschrift und kann darum Art. 256 OR gar nicht verletzen. Damit können Mieterinnen und Mieter in diesem Fall auch keine Mietzinsreduktionen nach Art. 259d OR verlangen. Eine entsprechende finanzielle Entschädigung müsste in diesem Fall, wenn schon, dann direkt von der anordnenden Behörde, also dem Bund kommen (analog der diversen Entschädigungen bei den Covid-19-Massnahmen).

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter