AGBs und Datenschutzerklärungen als Pop-ups direkt in Apps und E-Commerce

«30 Arbeitstage zum Lesen von AGBs und Datenschutzerklärungen …»

Gemäss Professor Gerd Gigerenzer zeigen Studien, dass man 30 Arbeitstage (sic!) bräuchte, wenn man alle Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) lesen würde, auf die man über das Jahr hinweg hingewiesen wird (s. Gerd Gigerenzer in Magazin «philosophie» 07.10.2021). Dies gilt natürlich auch für all die Datenschutzerklärungen. Damit sind die herkömmlichen AGBs und Datenschutzerklärungen ein untaugliches Mittel zur Information der User. Gigerenzer verlangt deshalb gesetzliche Vorschriften für kurze, verständliche AGBs, wie sogenannte «One-Pager». Eine aktuelle Untersuchung der University of Pennsylvania zum Datenschutz-Verständnis von User (Annenberg School for Communication of University of Pennsylvania, Americans can’t consent to companies use of their data, 02.2023) kommt zudem zum Schluss, dass die User, auch wenn sie Datenschutzerklärungen lesen, nicht verstehen, was die Datenerhebung und Datenverarbeitung durch die besuchten Internet-Plattformen für sie überhaupt bedeuten (s. The New York Times 07.02.2023, Americans Flunked This Test on Online Privacy).

AGBs und Datenschutzerklärungen als Pop-ups direkt in Apps und E-Commerce

Ich bin absolut der Meinung von Professor Gigerenzer. Jedoch ist davon auszugehen, dass auch die von Gigerenzer verlangten «One-Pager» von den Usern nicht gelesen werden. Damit AGBs und Datenschutzerklärungen von den Usern aktiv wahrgenommen und verstanden werden, müssen sie direkt in den Applikationen und E-Commerce an den Stellen aufpoppen, an denen Daten erhoben oder verarbeitet werden und den Usern muss z.B. über weiterführende Links deren genaue Funktion erklärt werden. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 2 ZGB) braucht es dann auch den für User lästigen «Cookie- bzw. Okay-Button» nicht. Dieser gehört ebenfalls zum Nonsens im Online-Datenschutz (!).

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Siegeln, Siegeln, Siegeln!

Siegelung: strafprozessuale Notbremse – Auch wenn die meisten Leute und Unternehmen davon nicht betroffen sind, ist es doch ein sehr wichtiger strafprozessualer Ratschlag, sollten Sie einmal betroffen sein!

Hausdurchsuchung – strafprozessualer Vorschlaghammer!

Eines der mächtigsten Mittel im Strafprozess ist die Hausdurchsuchung nach Art. 244 f. der schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Die Hausdurchsuchung gehört zu den Zwangsmassnahmen gemäss Art. 196 ff. StPO. Voraussetzungen für eine solche Massnahme sind nach Art. 197 StPO eine gesetzliche Grundlage (betr. Hausdurchsuchung eben Art. 244 f. StPO), ein hinreichender Tatverdacht sowie die Einhaltung des bei staatlichem Handeln allgemein gültigen Grundsatzes der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 Bundesverfassung, BV). Letzteres bedeutet in concreto, dass eine Massnahme in Hinblick auf den strafprozessualen Zweck notwendig und geeignet sein muss und in Bezug auf den möglichen Straftatbestand nicht unverhältnismässig, also übertrieben sein darf. Praktisch muss es wahrscheinlich sein, dass man in der Wohnung bzw. im Unternehmen Informationen findet, die bei der Aufklärung der mutmasslichen Strafsache dienlich sein können. Dies ist nach meiner Erfahrung praktisch immer der Fall. Bis auf einen Fall wurden alle meine Anträge auf Hausdurchsuchung in den oft durchgeführten Strafprozessen im Immaterialgüterrecht (s. dazu digilaw.ch 08.10 Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht) immer gutgeheissen. Die prozessuale und faktische Hürde für diese Zwangsmassnahmen ist also m.E. sehr gering.

Siegelung – strafprozessuale Notbremse

Gemäss Art. 248 StPO müssen die Strafbehörden Aufzeichnungen und Gegenstände, die nach Angaben der Inhaberin oder des Inhabers wegen eines Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrechts oder aus anderen Gründen (z.B. Anwaltsgeheimnis, Geschäftsgeheimnis) nicht durchsucht oder beschlagnahmt werden dürfen, von Amtes wegen versiegeln und dürfen jene weder einsehen noch verwenden, bis ein Zwangsmassnahmengericht auf Antrag der Strafbehörde darüber entschieden hat. Dieser Entscheid kann bis vor Bundesgericht gezogen werden. Da ein solcher Instanzenzug relativ viel Zeit in Anspruch nehmen kann, gibt die Siegelung dem bzw. der Beschuldigten ebenfalls ein mächtiges Mittel in die Hand, mit der Staatsanwaltschaft über den Umfang der Einsicht in die beschlagnahmten Informationen zu verhandeln. Praktisch wichtig ist ebenfalls, dass auch ein allfälliger Kläger, eine allfällige Klägerin während einer Sieglung keinen Einblick in die nämlichen Informationen erhält. Auch wenn die Siegelung eigentlich von Amtes wegen vorgenommen werden müsste, ist es wichtig, dass Sie einen entsprechenden Antrag vor Ort selbst stellen. Idealerweise kontaktieren Sie bereits bei der Hausdurchsuchung eine Rechtsanwältin bzw. einen Rechtsanwalt (Rechtsanwälte/innen finden Sie z.B. hier: www.sav-fsa.ch/Anwaltssuche), die bzw. der allenfalls sogleich vor Ort kommen kann oder Sie mindestens per Telefon beraten und/oder mit der Polizei sprechen kann.

Wenn es morgens um 6 Uhr an der Tür klingelt …

Wenn es also morgens um 6 Uhr klingelt – Hausdurchsuchungen finden häufig um diese Zeit statt – und die Polizei steht mit einem Hausdurchsuchungsbefehl vor der Tür, sagen Sie zuerst «Guten Morgen, das ist aber eine Überraschung» (Kooperation ist i.d.R. eher günstiger, als Opposition ;-)) und dann aber so bald als möglich «Siegeln, Siegeln, Siegeln!». Achten Sie auch darauf, dass der Antrag auf Siegelung im Polizeiprotokoll, das Ihnen evtl. zur Unterschrift vorgelegt oder mindestens abgegeben wird, explizit erwähnt wird.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter