Die juristische Krux mit der MwSt-Senkung

Am 24. September 2017 hat die Stimmbevölkerung der Schweiz die Vorlage der Altersreform 2020 abgelehnt. Eine direkte Folge der Ablehnung ist, dass die Mehrwertsteuer 2018 um 0,3 % sinkt. Grund ist das Auslaufen der IV-Zusatzfinanzierung. Dafür hatten Volk und Stände 2009 während sieben Jahren 0,4 % zusätzlich bewilligt. Diese Periode läuft Ende 2017 aus. Die Mehrwertsteuer sinkt aber nicht um 0,4 %, weil das Stimmvolk ab nächstem Jahr 0,1 % der Bahninfrastruktur zugesprochen hat (20 Minuten 24.09.2017).

Politiker, Fachleute und Medien haben seit der Abstimmung immer wieder darauf hingewiesen, dass gewährleistet sein müsse, dass die Reduktion von 0.3 % ab 1. Januar 2018 den Kunden weitergegeben werde. Dabei wurde auch auf vertragsrechtliche Fussangeln hingewiesen.

Umso erstaunter war ich, als ich heute ein Schreiben von ewl Energie Wasser Luzern, dem Elektrizitäts- und Wasserwerk der Stadt Luzern, in der Hand hielt, das als Provider auch Internet-Zugänge verkauft, in dem dieses die Kunden wie folgt informiert:

Per 1. Januar 2018 verändert sich die Schweizer Mehrwertsteuer von bisher 8 auf 7.7 Prozent. Die Preise unserer ewl internet Abos werden stets inklusive Mehrwertsteuer angegeben und ändern sich durch diese Anpassung nicht. Auch im 2018 werden Sie also eine ewl internet Rechnung mit dem für Sie gewohnten Betrag von uns erhalten.

Dies ist m.E. insbesondere juristisch falsch. Wenn ich aktuell einen Vertrag habe mit einem Internet-Abonnement, das inkl. MwSt CHF 70.00 kostet, heisst dies, dass dieses Abonnement im Dezember 2017 CHF 64.80 plus 8 % MwSt., also CHF 5.20 kostet. Das gleiche Abo kostet gemäss entsprechendem Vertrag im Januar 2018 ebenfalls CHF 64.80 plus nunmehr 7.7 % MwSt., also CHF 5.00. Damit kostet das Abo mit gleichem Vertrag nicht mehr CHF 70.00, sondern neu CHF 69.80.

Es trifft natürlich zu, dass es sich in diesem Beispiel um einen sehr kleinen Betrag handelt, sowohl für die Kunden, wie wohl auch für das ewl selber, und dass natürlich für die Werbung ein Preis von CHF 70.00 schicker aussieht, als ein Preis von CHF 69.80. Gerade als staatliches Unternehmen geht es m.E. aber sowohl juristisch, wie politisch nicht an, dass man bestehende Verträge nicht einhält und de facto, aber auch de iure eine Preiserhöhung vornimmt, der der Kunde nicht zugestimmt hat.

Das ewl hat am 22. Dezember 2017 dazu wie folgt Stellung genommen:

Wir vertreten rechtlich eine andere Auffassung. Wir gehen vom mit dem Kunden vereinbarten Preis und vom damit zusammenhängenden Willen der Vertragsparteien aus. Danach gilt: Die Internet-Abos werden von ewl zu einem pauschalen Fixpreis angeboten und vom Kunden zu diesem Pauschalpreis bestellt. Im Pauschalpreis sind alle Leistungen, Kosten und Abgaben inbegriffen, unabhängig von deren konkreten Höhe. Die einzelnen Bestandteile des Pauschalpreises werden im Angebot von ewl denn auch nicht einzeln beziffert. Das gilt auch für die Mehrwertsteuer, die im Pauschalpreis inbegriffen ist. Der Kunde bestellt das Internet-Produkt unabhängig des Mehrwertsteuersatzes zum festen Pauschalpreis. Weiter halten wir hierzu fest, dass wir im letzten Jahr das Preis-Leistungsverhältnis verbessert haben. Die Kunden erreichen uns nun 7×24 Stunden, damit sie rund um die Uhr ihre Anliegen an uns richten können. Diese Mehrkosten trägt ewl, welche für die Kunden keine Preiserhöhung zur Folge hatte.

Die Antwort überzeugt m.E. juristisch nicht, da das ewl den Pauschalpreis eben nicht „plus MwSt.“ publiziert, sondern „inkl. MwSt.“. Damit ist die Mehrwertsteuer eben im Pauschalpreis inbegriffen und der Preis muss unter bestehenden Verträgen um die 0.3 % MwSt. reduziert werden, da der MwSt.-Satz ja zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den Kunden bekannt war, im Gegensatz zu den übrigen „Leistungen, Kosten und Abgaben“; die im übrigen bei der Preisangabe auch nicht explizit erwähnt werden (also nicht „inkl. Leistungen, Kosten und Abgaben“).

Thema in der Luzerner Zeitung vom 23.12.2017: ewl – Internetkunden gehen leer aus
Zum Artikel: LZ 23.12.2017 ewl – Internetkunden gehen leer aus

Wie passt man Geschäftsbedingungen, insb. auch AGB und Preise korrekt an?

Die Praxis zeigt, dass das ewl nicht das einzige Unternehmen ist, das mit der Änderung der Geschäftsbedingungen Mühe bekundet. Die Sache ist aber eigentlich ganz einfach. Gemäss Art. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) braucht es für den Abschluss eines Vetrages bzw. einer Vereinbarung „die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien“. Dies betrifft auch Vertragsänderungen, insbesondere auch die Erhöhung eines Preises. Juristisch ideal wäre es darum, wenn man dafür erneut die Unterschrift des Kunden einholen würde. Da dies in der Praxis, insbesondere bei sehr vielen Kunden, kaum praktikabel ist, ist die Best Pratice für Vertragsänderungen, dass man die Kunden darüber informiert und sie darauf hinweist, dass, sollten die Kunden den Vetrag nicht ordentlich kündigen, davon ausgegangen werden kann, dass nach Ablauf der nächsten Kündigungsfrist die neuen Bedingungen gelten. Das machen z.B. öfters Kreditkartenfirmen. Übrigens. Eine Bestimmung in den AGB, dass diese einseitig von einem Unternehmen angepasst werden können, verstösst m.E. gegen Art. 27 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB), der Teil des Persönlichkeitsrechts ist und vor der „Entäusserung der Freiheit“, hier die Vertragsfreiheit schützt.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 27. Dezember 2017

NAVYBOOT verschickt illegale SMS

Seit einiger Zeit nimmt offenbar der Versand von Werbe-SMS bzw. kommerziellen SMS von ansich seriösen Schweizer Unternehmen zu. In letzter Zeit habe ich als Kunde solche insb. von UBS und NAVYBOOT erhalten. Während UBS die Vorschrift von Art. 3 Abs. 1 lit. o des schweizerischen Lauterkeitsgesetzes (UWG), unter die auch SMS fallen, einhält und mir die Möglichkeit gibt, mit einer Nachricht „STOP TWINT“ an die Nummer 5555 mich von der Liste der Adressaten der Werbe-SMS zu löschen, besteht diese Möglichkeit bei den Werbe-SMS von NAVYBOOT nicht. Damit sind die Werbe-SMS von NAVYBOOT gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG illegal, was gemäss Art. 23 UWG strafbar ist.

Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG müssen auch bestehende Kunden die Möglichkeit haben, bei Werbemails und Werbe-SMS sich jederzeit aus entsprechenden Adressaten-Listen austragen zu lassen und dies auf einfache Weise (sog. „Unsubscription“, Opt-out-Prinzip).

Wie man legal Werbemails und Werbe-SMS versendet steht in diesem Blog-Beitrag: https://wp.me/p8RKnD-59.

Über zwei Monate nach meiner Abmahnung hat sich NAVYBOOT mit Schreiben vom 7. Februar 2018 bei mir gemeldet und zur Sache wie folgt Stellung genommen:

Wir hatten es leider bei Projektbeginn unterlassen, die von unserer Agentur vorgestellte
SMS Werbeversand Lösung rusätzlich selber auf die juristischen Voraussetzungen zu
prüfen. Sie haben selbstverständlich mit der Aussage recht, dass ein solcher SMS Werbeversand
dem Kunden eine einfache Möglichkeit geben muss, künftige Werbung abzustellen.
Wir haben aufgrund Ihrer Rückmeldung deshalb umgehend eine entsprechende Programmierung
für eine Abmeldung in Auftrag gegeben. Künftige Werbe-SMS seitens unserer
Unternehmung an unsere Crew Member werden somit künftig nur mit einem Link flir die
Abmeldung versandt.

Das wäre jetzt korrekt. Auch ein Abmelde-Link (Unsubscription), statt einer Stopp-SMS, erfüllt die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 2 lit. o UWG.

Zusätzliche „Lesson to learn“: Arbeiten von Werbe-/Marketingagenturen immer auch juristisch prüfen. Offenbar kann man sich nicht darauf verlassen, dass dies Agenturen selbst tun.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
Aktualisiert am 08. Februar 2018

Spam – Unerwünschte E-Mails sind illegal

Staatsanwaltschaft verurteilt Unternehmer zu Geldstrafe und Busse mit Eintrag im Strafregister

Nach Art. 3 Abs. 1 lit. o des schweizerischen Lauterkeitsgesetzes (UWG) handelt unlauter, wer Massenwerbung ohne direkten Zusammenhang mit einem angeforderten Inhalt fernmeldetechnisch sendet oder solche Sendungen veranlasst und es dabei unterlässt, vorher die Einwilligung (Opt-in) der Kunden einzuholen, den korrekten Absender anzugeben oder auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit (Opt-out) hinzuweisen; wer beim Verkauf von Waren, Werken oder Leistungen Kontaktinformationen von Kunden erhält und dabei auf die Ablehnungsmöglichkeit hinweist, handelt nicht unlauter, wenn er diesen Kunden ohne deren Einwilligung Massenwerbung für eigene ähnliche Waren, Werke oder Leistungen sendet. Wer gegen diese Bestimmung verstösst, kann gemäss Art. 23 UWG auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden.

Unter diese Norm fallen E-Mails, Fax, SMS und automatisierte Telefonanrufe.

In einem neusten Entscheid hat die Staatsanwaltschaft St. Gallen einen Unternehmer wegen des Versandes eines Spam-Mails nach Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG zu einer Geldstrafe und Busse von gesamthaft CHF 2’600.00 verurteilt. Die Strafe wird ins Strafregister eingetragen. Zudem muss der Unternehmer die Untersuchungsgebühr von CHF 700.00 tragen.

Gemäss Begründung der Staatsanwaltschaft handelte der Beschuldigte wissen- und willentlich. Er wusste, dass seitens des Adressaten keine Einwilligung für die Zustellung des kommerziellen E-Mails vorlag. Dennoch verschickte er dieses an den Adressaten.

Die Begründung der Staatsanwaltschaft St. Gallen entspricht der bisher höchstrichterlichen Rechtsprechung des Obergerichts des Kantons Zürich betreffend Spam-Mails nach Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
Aktualisiert am 10. November 2017

Software ist nicht telquel geschützt

Voraussetzungen für den urheberrechtlichen Schutz von Software und Raster für Softwarevergleich

Die Softwarebranche selber hat durch teilweise geradezu aggressive Publicity dafür gesorgt, dass heute jedes Kind weiss, dass Software urheberrechtlich geschützt ist. Was die Branche jeweils nicht publiziert, ist, dass Software nicht telquel geschützt ist, sondern nur wenn sie Individualität bzw. Originalität gemäss Art. 2 des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes (URG) aufweist. Was heisst dies konkret und was muss man vergleichen, wenn es um die Frage geht, ob eine Software das Urheberrecht einer anderen Software verletzt?

Eine Software muss eine bestimmte Aufgabe erledigen. Die diesem Blog zugrunde liegende Software wandelt Text, den man in einem Tool eingibt (Input) grafisch so um, dass man ihn im entsprechenden Blog auf dem Internet wahrnehmen kann (Output). Die Tools, die diese Aufgaben in einer Software erfüllen, nennt man Algorithmen. Diese Algorithmen bzw. ihre Programmierung müssen bzw. muss genügend originell gemäss Art. 2 URG sein. Dabei geht Literatur und Rechtsprechung bei Software mehrheitlich davon aus, dass der Grad an Originalität nicht besonders hoch sein muss, da der Gestaltungsfreiraum für Programmierer in er Regel eher klein sein dürfte. Falls Algorithmen nicht banal sind, ist tendenziell von Urheberrechtsschutz auszugehen. Nicht originell sind aber Algorithmen, die Gemeingut darstellen, d.h. eine Programmierung enthalten, die von allen verwendet werden können muss. In Sprache und Grafik sind z.B. einzelne Buchstaben, allgemein gebräuchliche Worte (in der Regel im Duden aufgeführt), allgemeine Formen (insb. Kreis, Quadrat) und Farben nicht monopolisierbar. Ebenfalls nicht originell im Sinne des Gesetzes sind Algorithmen, deren Lösungen für einen Fachmann bzw. Fachfrau naheliegend sind. Beim urheberrechtlichen Softwarevergleich gibt es Analogien zum Vergleich von Patenten bzw. mutmasslich patentverletzenden Produkten mit Patenten.

Wenn sich nun die Frage stellt, ob die eine Software die Urheberrechte der anderen Software verletzt, müssen die Algorithmen miteinander verglichen werden. Diese befinden sich im Sourcecode der Software. Für einen Softwarevergleich ist es also notwendig, dass der Sourcecode beider Softwaren offengelegt wird. In einer rechtlichen Auseinandersetzung kann für den Softwarevergleich z.B. ein Informatikunternehmen bzw. ein Informatikexperte als Treuhänderin bzw. Treuhänder bestimmt werden. Damit bleibt den Parteien der Einblick in den je anderen Sourcecode verwehrt.

Bei der Frage nach der Originalität eines Algorithmus ist weder die Idee, die dahinter steckt, noch das Konzept relevant, sondern ausschliesslich die Programmierung.

Beim Softwarevergleich, der in der Regel ebenfalls mittels Analysesoftware erfolgt, sollte in einem ersten Schritt gecheckt werden, ob alle oder mindestens sehr viele Algorithmen identisch oder mindestens sehr ähnlich sind. Trifft dies zu, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Urheberrechtsverletzung. Trifft dies nicht zu, muss in einem weiteren Schritt nach einzelnen identischen oder mindestens sehr ähnlichen Algorithmen Ausschau gehalten werden. In der Folge müssen in allen Fällen die Algorithmen auf ihre rechtliche Relevanz hin untersucht werden (s. dazu vorne).

Bereits ein identischer oder sehr ähnlicher Algorithmus kann für eine Urheberrechtsverletzung reichen.

Beinhaltet eine Software Algorithmen, die für sich alleine rechtlich nicht relevant sind (s. dazu vorne), kann eine Kombination solcher Algorithmen trotzdem zu einem urheberrechtlichen Schutz führen, wenn die Kombination ansich originell im Sinne des Gesetzes ist. Dies wäre dann ein geschütztes Sammelwerk im Sinne von Art. 4 URG.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
Aktualisiert am 02. März 2018

Blockchain für Anfänger

Viele sprechen davon, wenige wissen, was es effektiv ist. Ich finde, Sergej Etkov erklärt es in seinem Buch „Blockchain für Anfänger“ gut verständlich, kurz und bündig. M.E. als Einstiegslektüre sehr zu empfehlen.

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Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
Aktualisiert am 10. November 2017

Legal Tech – kein Fleisch am Knochen?

Diese Woche findet in Zürich die erste Swiss Legal Tech Conference statt. Nachdem ich mich mit der Thematik bis jetzt vor allem theoretisch befasst habe und die Sache in meiner Praxis ebenfalls weitgehend Theorie blieb, interessiert mich vor allem, was Kolleginnen und Kollegen, insbesondere aus grösseren Kanzleien aus dem In- und Ausland darüber denken und ob und wie sie Legal Tech in ihrem Alltag einsetzen.

Vorab ist zu Unterscheiden zwischen allgemeiner Business Technology und eben der Legal Technology (Legal Tech), die spezifisch für Legal Services entwickelt wird bzw. worden ist. Diesbezüglich hat Kollege Lars Bauer von Schellenberg Wittmer eindrücklich gezeigt, dass nur ein kleiner Anteil der Aufgaben in einer Anwaltskanzlei durch spezifische, für Rechtsdienstleistungen entwickelte Technologien gelöst werden. Der grösste Teil der Aufgaben in einer Kanzlei wird durch handelsübliche Technologien erledigt. Kollege Maziar Jamnejad von Freshfields Bruckhaus Deringer in London hat sich sogar ausserordentlich kritisch zum praktischen Nutzen von aktuell existierender Legal Tech geäussert, sogar im Bereich der eDiscovery (Lokalisierung, Sicherung, Durchsuchung von Daten, um diese als Beweismittel in zivil- oder strafrechtlichen Verfahren verwenden zu können), wo der Einsatz entsprechender Technologie naheliegend ist und ja schon länger erfolgt.

Offenbar wird Legal Tech auch nicht wirklich von den Mandanten nachgefragt, auch nicht bei den grossen Kanzleien.

Eine Anwendung von Legal Tech sind die sogenannten Smart Contracts. Das sind Verträge, die auf einer Blockchain eingerichtet werden, also einem dezentralisiertem Serversystem, das mit der Cyberwährung Bitcoin bekannt geworden ist. Smart sind diese Verträge insbesondere darum, weil sie sich automatisch, d.h. ohne Zutun von Menschen, verwalten. D.h. die Software prüft selbst, ob eine bestimmte Vertragsbedingung erfüllt ist und löst dann den nächsten, im Vertrag vorgesehenen Schritt aus. Z.B. checkt der Smart Contract eigenständig, ob die Lizenzgebühr bezahlt wurde und schaltet dann die Benutzung der Software frei. Kollege Stephan Meyer von MME hat versucht, die rechtlichen Grundlagen von Smart Contracts zu eruieren und darzustellen. Sein Versuch hat m.E. plakativ gezeigt, wie enorm gross die Rechtsunsicherheiten und damit auch die rechtlichen Risiken in diesem Bereich sind.

Der Workshop von Kollege Meyer hat aber auch gezeigt, dass es wichtig ist, dass Juristinnen und Juristen sich nicht nur mit den rechtlichen, sondern im gewissen Masse auch mit den technischen Aspekten befassen, auch wenn Kollege Meyer meinte, das Know-how des Programmierens gehöre wohl nicht dazu.

Und an der Konferenz gab es neben den Rechtsanwälten natürlich auch die Verkäufer von Legal Tech. Auch wenn diese alle Register eines Verkaufsgespräches zogen, war noch nicht viel zu entdecken, was man in der Anwaltspraxis oder für seine Mandanten effektiv nutzen könnte.

Als ich denn die Konferenz etwas früher als geplant verliess, hörte ich, wie ein anderer Teilnehmer seinem Kollegen am Telefon erklärte, auch er wäre früher gegangen, es hätte „einfach kein Fleisch am Knochen“. Nun, man muss wohl anfügen „noch nicht“. Als Quintessenz sollte man wohl nichts überstürzen, aber dranbleiben und sich als Jurist nicht zuletzt auch die technischen Aspekte der Legal Tech aneignen.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
Aktualisiert am 10. November 2017

Kein Fahrverbot ohne amtliche Publikation

Sie stehen an Strässchen, Feldwegen und sind teilweise sogar handgemacht, die nicht amtlichen, nicht publizierten Fahrverbote. Solche Fahrverbote sind oft nicht rechtens. Ein Fahrverbot ist grundsätzlich eine generell abstrakte Verfügung und muss als solche von einer Amtsstelle bzw. einem Gericht erlassen werden. Gegen eine solche Verfügung können denn auch Betroffene Einsprache erheben.

Es lohnt sich also, bei einer Busse „wegen Missachtung eines Fahrverbots“ genau hinzuschauen und nachzufragen, ob das entsprechende Fahrverbot überhaupt rechtens bzw. gültig ist – ein Einwand ohne Aufwand, aber möglicherweise mit spürbarem Effektiv im Portemonnaie!

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Elektroauto – Unlautere Angaben zur Reichweite?

Vor kurzem haben wir einen Hyundai Ioniq Electric, also ein Elektroauto gekauft. Der Hersteller gibt eine Batteriereichweite von 280 km an. Effektiv fährt das Auto auch bei besten Bedingungen maximal 245 km. Dies entspricht einer reduzierten Reichweite von immerhin 12 %. Dies stellt u.E. ein Mangel an zugesicherten Eigenschaften nach Obligationenrecht dar. Zudem ist die Kommunikation einer entsprechenden, nicht zu erreichenden Reichweite unlauter nach Lauterkeitsgesetz (falsche Angaben über Produkte), was grundsätzlich auch ein Straftatbestand darstellt. Wir haben Hyundai Suisse aufgefordert, zur Sache Stellung zu nehmen.

Mit E-Mail vom 22. August 2017 nimmt nun Hyundai Suisse dazu Stellung und schreibt u.a.:

„Wie bereits in unserem Schreiben vom 14. Juli 2017 dargelegt, handelt es sich bei der Reichweite von 280 km um einen normierten Messlaborwert gemäss Neuem Europäischem Fahrzyklus. Im normalen Alltagsbetrieb wird es kaum möglich sein, die unter Laborbedingungen ermittelten Verbrauchswerte nachzufahren. Dies ist beispielsweise im Katalog bzw. der Preisliste entsprechend aufgeführt.“

Effektiv weist Hyundai auf der Homepage auf den «Neuen Europäischen Fahrzyklus» hin (Hyundai Ioniq Electric). Mehr steht dazu aber nicht. D.h. der Konsument müsste insbesondere auf dem Internet nach dem erwähnten Zyklus suchen (z.B. Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrzyklus) und müsst aus entsprechenden, extrem umfassenden und technischen Informationen ableiten, dass sein Hyundai Ioniq Elecric a priori eine Reichweite von 280 km im Alltag nie wird erreichen können. So gibt denn auch Hyundai Suisse unumwunden zu: «Im normalen Alltagsbetrieb wird es kaum möglich sein, die unter Laborbedingungen ermittelten Verbrauchswerte nachzufahren». Effektiv gibt es in Preisliste und Katalog allgemeine, und mittlerweile ja auch allgemein bekannte (!) Hinweise darauf, dass bei Autos der publizierte, theoretische Verbrauch mit dem effektiven Verbrauch nicht übereinstimmt. Dieser Hinweis wird aber nicht in Bezug auf die Reichweite von 280 km gemacht. Das ist ja eben auch nicht der Verbrauch, sondern die Reichweite.

Aus Sicht des Publikums ist aber relevant, dass effektiv mit den 280 km Reichweite Werbung gemacht wird, dass bei Elektrofahrzeugen dies die wichtigste Zahl ist, es aber gemäss Hersteller «im normalen Alltagsbetrieb [..] kaum möglich sein [wird], die unter Laborbedingungen ermittelten Verbrauchswerte nachzufahren», dies aber in unmittelbarem Bezug zur publizierten Zahl 280 nirgends steht.

Wir haben Hyundai Suisse zu einer erneuten Stellungnahme zu dieser Argumentation gebeten. In der Folge wurden wir von deren nunmehr eingeschalteten Rechtsanwalt kontaktiert. Dieser hat nun eine mit dem Lauterkeitsrecht kompatiblen Anpassung der Werbung von Hyundai betreffend der Reichweite des Hyundai Ioniq Electric in Aussicht gestellt. Der Rechtsvertreter möchte auf jeden Fall vermeiden, dass wir die Sache mittels Beschwerde vor die Lauterkeitskommission bringen. Dies scheint uns zwischenzeitlich ein adäquates Mittel zur generellen Förderung einer realitätsbezogenen und damit lauteren Kommunikation der Autoindustrie. Denn Hyundai ist ja nicht der einzige Autoproduzent, der hier offenbar eine gewisse Nonchalance an den Tag legt.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 03. Dezember 2019

moneyhouse.ch – Bundesverwaltungsgericht stärkt Datenschutz

Mit seinem nunmehr rechtskräftigen Entscheid A-4232/2015 vom 18. April 2017 nimmt das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) auf Klage des Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB) gegen die zur NZZ-Gruppe gehörende Moneyhouse AG und deren Bearbeitung von Personendaten im Kontext der digitalen Auskunftei (insb. Bonitätsprüfungen) moneyhouse.ch Stellung. Der Entscheid stärkt den Datenschutz und den Schutz der Betroffenen in der Schweiz, was einem Trend in der EU entspricht.

Nach Art. 12 des Datenschutzgesetzes (DSG) darf, wer Personendaten bearbeitet, die Persönlichkeit der betroffenen Personen nicht widerrechtlich verletzen. Gemäss Art. 13 Abs. 1 DSG ist eine Verletzung der Persönlichkeit widerrechtlich, wenn sie nicht durch Einwilligung des Betroffenen, durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch Gesetz gerechtfertigt ist. Nach Art. 13 Abs. 2 lit. c DSG kommt ein überwiegendes Interesse des Datenbearbeiters insbesondere dann in Betracht, wenn dieser zur Prüfung der Kreditwürdigkeit einer anderen Person weder besonders schützenswerte Personendaten noch Persönlichkeitsprofile bearbeitet und Dritten nur Daten bekannt gibt, die sie für den Abschluss oder die Abwicklung eines Vertrages mit der betroffenen Person benötigen. Gemäss BVGer gehören dazu Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort der zu prüfenden Person. Diese Daten dürfen jedoch in diesem Kontext nicht, wie von Moneyhouse bisher praktizert, mit Informationen, wie Wohn- und Lebenssituationen, Haushaltsmitglieder und Nachbarn verbunden werden. Letzteres würde zu Persönlichkeitsprofilen führen, deren Publikation nur mit expliziter, zweckgebundener Einwilligung der betroffenen Personen zulässig ist, die jedoch Moneyhouse aus wirtschaftlichen Gründen nicht einholt. Damit muss Moneyhouse seine Praxis entsprechend anpassen. Zudem wurde Moneyhouse vom BVGer basierend auf Art. 5 bzw. 7 DSG dazu verpflichtet, ihren Datenbestand betreffend Richtigkeit regelmässig zu überprüfen. Schlussendlich hat Moneyhouse Auskunftsbegehren nach Art. 8 DSG, die sich auf Datenbanken von Dritten beziehen, ohne weiteres an diese zur Beantwortung weiterzuleiten.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 16. Oktober 2020