Sogar K-Tipp verschickt Spam-Mails!

Das Konsumentenmagazin K-Tipp, das Woche für Woche illegale Machenschaften von Unternehmen anprangert, hat heute selbst ein Spam-Mail versandt! Ich war zwar einmal Abonnent von K-Tipp, bin es aber zwischenzeitlich nicht mehr. Als ich mich mit einem Klick auf den Unsubscription-Button („Klicken Sie hier, um sich vom Newsletter abzumelden“) vom Newsletter abmelden wollte, wurde ich auf eine Seite geleitet, auf der ich mich wieder für den Newsletter anmelden, jedoch nicht abmelden kann (sic!) – und bin prompt reingefallen …

Dieses E-Mail von K-Tipp ist damit umfassend illegal. Es verstösst sowohl gegen das Opt-in-, wie auch gegen das Opt-out-Prinzip von Art. 3 Abs. 1 lit. o Lauterkeitsgesetz (UWG). Ein Verstoss gegen Art. 3 UWG kann nach Art. 23 UWG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Die Details betreffend Spam-Mails werden im Blog-Beitrag Spam – Unerwünschte E-Mails sind illegal erörtert.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
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Dieselgate – Konsumentenschutz blitzt mit Klage ab

Ueli Grüter in der Tagesschau von Schweizer Radio und Fernsehen SRF vom 22.08.2018 zur abgewiesenen Klage der Stiftung für Konsumentenschutz SKS gegen VW und AMAG

Im Dieselskandal hat sich die schweizerische Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) im Dezember 2017 mit einer Feststellungsklage und mit einem Bündel von parallel erhobenen Schadenersatzklagen gegen Volkswagen (VW) und den Schweizer Autoimporteuer und -retailer AMAG für betroffene Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten stark gemacht (s. dazu im Detail „Stiftung für Konsumentenschutz SKS konstruiert ‚Sammelklage‘ gegen VW und AMAG“). Wie die SKS selbst publiziert, hat das Handelsgericht Zürich nun im ersten Fall entschieden, nicht auf die Feststellungklage (zu Begriff und Voraussetzungen der Feststellungsklage s. www.zivilprozess.ch/klagearten) einzutreten. Dabei hat das Gericht im Wesentlichen bemerkt, dass in der Sache kein Feststellungsinteresse mehr gegeben sei, da der Skandal bereits 2015 allgemein bekannt geworden sei und damit kein Betroffener mehr getäuscht werden könne.

Der Entscheid des Handelsgerichts Zürich ist aus Sicht des Konsumentenschutzes bedauerlich, aus juristischer Sicht aber, soweit die SKS den Entscheid kommuniziert, nachvollziehbar. Das Gericht ist der Meinung, dass zum heutigen Zeitpunkt kein isoliertes Interesse an der Feststellung der Täuschung im Dieselskandal besteht. Beurteilt wird nicht die Situation im Zeitpunkt der mutmasslichen Tricksereien, sondern im Zeitpunkt des Entscheides des Gerichts, d.h. heute. Und heute ist die Sache eben jedermann bekannt. Eine gerichtliche Feststellung wäre Wasser in die Limmat getragen.

Der Entscheid hat keinen Einfluss auf die von der SKS ebenfalls angestrengten Schadenersatzklagen. Dort wird die Frage der Täuschung erneut beurteil, dann aber zum Zeitpunkt der mutmasslichen Tricksereien.

S. zur Sache auch Blog-Beitrag: Stiftung für Konsumentenschutz SKS konstruiert „Sammelklage“ gegen VW und AMAG.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
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Arbnb – konsumentenrechtswidrige Praktiken

Die EU greift in letzter Zeit gegen die US-Internet-Giganten durch. Nun hat sie auch dem Community-Marktplatz für Buchung und Vermietung von Unterkünften Airbnb ein Ultimatum gesetzt. Die EU-Kommission wirft Airbnb verschiedene Verstösse gegen das Konsumentenrecht vor und verlangt von dieser, bis Ende August 2018 Lösungsvorschläge zur Korrektur der beanstandeten Praktiken vorzulegen.

Im Einzelnen fordern die Kommission und die nationalen Behörden, die in diesem Bereich für die Rechtsdurchsetzung verantwortlich sind, Airbnb unter anderem auf, die Preisinformationen auf der Suchoberfläche der Website künftig so zu präsentieren, dass der Nutzer in allen Fällen den Gesamtpreis einer Unterkunft einschliesslich aller verbindlichen Abgaben und Gebühren (z.B. für die Reinigung) erhält. Kann der Endpreis nicht im Voraus berechnet werden, muss der Konsument darüber informiert werden, dass zusätzliche Gebühren anfallen können. Zudem müsse Airbnb stets eindeutig angeben, ob eine Unterkunft von einem privaten oder einem gewerblichen Betreiber angeboten werde. Dies sei wichtig, weil für die beiden Fälle unterschiedliche Konsumentenschutzvorschriften zur Anwendung kämen. Im Weiteren verlangt die EU-Kommission, dass Airbnb die Kunden nicht in die Irre führen solle, indem es im Streitfall ein Gericht anrufe, das sich nicht im Wohnsitz-Mitgliedstaat des Konsumenten befinde (Konsumentengerichtsstand). Auch dürfe das Unternehmen den Verbraucher im Fall persönlicher oder sonstiger Schäden nicht des Rechts berauben, den Anbieter der Unterkunft zu verklagen. Die Kündigung oder Aussetzung eines Vertrags durch Airbnb wiederum müsse unter Angabe von Gründen erfolgen und klaren Regeln unterliegen. Sie dürfe dem Konsumenten nicht das Recht auf angemessenen Ausgleich oder auf Einlegung eines Rechtsbehelfs vorenthalten.

Diese und weitere Aufforderungen an Airbnb ergeben sich laut Kommission aus den EU-Richtlinien über unlautere Geschäftspraktiken und über missbräuchliche Vertragsklauseln sowie aus den EU-Verordnungen über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen und über die Online-Beilegung von konsumrechtlichen Streitigkeiten.

In der Schweiz gelten analoge Normen basierend auf dem Lauterkeitsgesetz (UWG), der Preisbekanntgabe-Verordnung (PBV), der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie im internatioantonalen Kontext basierend auf dem Lugano Abkommen (LugÜ; Schweiz-EU) und dem Internationalen Privatrechtsgesetz (IPRG; Schweiz-„Rest der Welt“).

Quelle: NZZ 16.07.2018 Die EU ruft Airbnb zur Ordnung @RHoeltschi

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
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Was gehört in eine Datenschutzerklärung?

Je näher der 25. Mai 2018 und damit die Anwendung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) rückt, desto emsiger beginnen auch Schweizer Unternehmen ihre Datenschutzerklärungen entsprechend anzupassen. Es stellt sich die Frage, was eigentlich in eine Datenschutzerklärung gehört und wie diese aufgebaut werden sollte. Dabei ist es auch für ein Schweizer Unternehmen durchaus sinnvoll, die Datenschutzerklärung entsprechend den neuen EU-Vorschriften zu verfassen (s. dazu „Neuer EU-Datenschutz – Gefahr für Schweizer KMU?“).

Der Inhalt einer Datenschutzerklärung ergibt sich im Wesentlichen aus den Informationspflichten des Datenschutzverantwortlichen, also des Unternehmens, gemäss Art. 12 ff. DSGVO. Dabei muss konkret bezogen auf die jeweilige Datenerfassung bzw. Datenverarbeitung informiert werden. Wichtig ist, dass eine Datenschutzerklärung klar und verständlich formuliert wird, andernfalls sie möglicherweise gar keine rechtliche Wirkung hat.

Vorab muss ein Unternehmen darüber informieren, dass es für die Datenverfassung und die Datenverarbeitung verantwortlich ist. Dabei muss es seine Kontaktdaten sowie die Kontaktdaten seines allfälligen Datenschutzbeauftragten (unternehmensintern oder -extern) publizieren.

In der Folge muss den betroffenen Personen mitgeteilt werden, welche personenbezogenen Daten erfasst werden und zu welchem Zweck. Zu dieser Information gehört auch, auf welcher rechtlichen Grundlage die Datenerfassung und die folgende Datenverarbeitung erfolgt. Rechtliche Grundlage können im Wesentlichen die Einwilligung der betroffenen Person, die Notwendigkeit für die Abwicklung einer Rechtsbeziehung (z.B. Kaufvertrag), ein Gesetz oder berechtigte Interessen des Unternehmens oder eines Dritten sein, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen.

Fällt die rechtliche Grundlage für die Datenverarbeitung weg, müssen die entsprechenden personenbezogenen Daten ohne Verzug mit entsprechenden adäquaten technischen Mitteln dauerhaft gelöscht werden. Auch darüber ist in der Datenschutzerklärung zu informieren.

Sofern personenbezogene Daten nicht vom nämlichen Unternehmen selbst verarbeitet, sondern dafür an Dritte übermittelt werden, muss über diese Empfänger oder Kategorien von Empfängern informiert werden.

Werden personenbezogene Daten ins Ausland transferiert, ist dies insbesondere in der Datenschutzerklärung zu deklarieren und es ist darüber zu informieren, wie diesbezüglich das hohe Datenschutzniveau der Schweiz bzw. der EU auch im Ausland gewährleistet ist.

Ebenfalls müssen die betroffenen Personen über ihre Rechte in Bezug auf die Erfassung und Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten informiert werden. Dazu gehören gemäss DSGVO insbesondere folgende Rechte:
– Recht auf Auskunft
– Recht auf Berichtigung
– Recht auf Löschung
– Recht auf Einschränkung der Verarbeitung
– Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung
– Recht auf Datenübertragbarkeit
– Recht auf Beschwerden bei den Aufsichtsbehörden
– Recht auf Widerruf der Einwilligung

Schlussendlich müssen die betroffenen Personen darüber informiert werden, ob die Überlassung bzw. Erfassung ihrer personenbezogenen Daten gesetzlich oder vertraglich vorgeschrieben oder für einen Vertragsabschluss erforderlich ist, ob die betroffene Person verpflichtet ist, die personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen und welche mögliche Folge die nicht Zurverfügungstellung hätte (z.B. eingeschränkte Nutzung einer Website, wenn Cookies verweigert werden).

Bei diesen Ausführungen handelt es sich um eine Erläuterung zur Datenschutzerklärung basierend auf der EU-DSGVO. Es handelt sich um keine Empfehlung und darum wird auch jeden Haftung abgelehnt. Es wird empfohlen, für die Redaktion einer Datenschutzerklärung eine Fachperson, z.B. einen im Datenschutz spezialiserten Rechtsanwalt beizuziehen.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

WhatsApp-Mindestalter 16 gilt auch für Schweiz

Aufgrund der Anwendung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO; s. Neuer EU-Datenschutz – Gefahr für Schweizer KMU?) ab dem 25. Mai 2018 hat WhatsApp seine Nutzungs- und Datenschutzrichtline insbesondere dahingehend angepasst, dass die WhatsApp-Dienstleistungen grundsätzlich nur noch Personen mit dem Mindestalter 16 zugänglich sind. Immerhin lässt es WhatsApp zu, dass Erziehungsberechtigte der Nutzung der WhatsApp-Dienste zustimmen können, wenn das Kind bzw. der Jugendliche jünger als 16 Jahre ist. Damit bleibt wohl de facto alles beim Alten. Zudem gehört für WhatsApp auch die Schweiz zur „Europäischen Region“ (s. faq.whatsapp.com/general/26000121). Damit gilt das generelle Mindestalter von 16 Jahren auch für die Schweiz, auch wenn das schweizerische Datenschutzgesetz der EU-Datenschutz-Grundverordnung noch nicht angepasst wurde (s. vorne oder hier). Dass die Schweiz für WhatsApp ebenfalls zur „Europäischen Region“ gehört, hat noch einen anderen Vorteil für die Schweizer User. Damit werden die Dienste von WhatsApp auch für die Schweiz von der WhatsApp Ireland Limited und nicht von der WhatsApp Inc. in den USA zur Verfügung gestellt. WhatsApp trennt offenbar wohlweislich Daten von Usern in Europa, von Daten von Usern in den USA und anderen Ländern, da die Daten von Usern in der EU nun unter dem strengen Datenschutz-Regime stehen, das Bussen von bis zu 4 % des Gruppenumsatzes eines Unternehmens, wie WhatsApp, vorsieht, wenn Datenschutz-Vorschriften verletzt werden (s. vorne oder hier)!

Wenn du in einem Land in der Europäischen Region lebst, musst du mindestens 16 Jahre alt sein, um unsere Dienste zu nutzen oder das in deinem Land für die Registrierung bzw. Nutzung unserer Dienste erforderliche Alter haben. Wenn du in einem Land lebst, das nicht in der Europäischen Region liegt, musst du mindestens 13 Jahre alt sein, um unsere Dienste zu nutzen oder das in deinem Land für die Registrierung bzw. Nutzung unserer Dienste erforderliche Alter haben. Zusätzlich zu der Anforderung, dass du nach geltendem Recht das zur Nutzung unserer Dienste erforderliche Mindestalter haben musst, gilt Folgendes: Wenn du nicht alt genug bist, um in deinem Land berechtigt zu sein, unseren Bedingungen zuzustimmen, muss dein Erziehungsberechtigter in deinem Namen unseren Bedingungen zustimmen.

Sind Klassenchats illegal?

Klassenchats mit Schüler unter 16 Jahren sind nicht per se illegal. Autorisiert wird die Teilnahme nicht durch die Schule bzw. die Lehrpersonen, sondern durch die Schüler selber. Und wie hier erläutert, können gemäss den AGB von Whatsapp die Eltern ihre Zustimmung geben. Also, keine Panik. Auch hier bleibt de facto alles wie gehabt.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 03. Juni 2018

Kann digitaler Anbieter Briefpost verbieten?

In der analogen Welt war der Fall klar. Einen Vertrag kündigt man am sichersten per eingeschriebenem Brief. Nun gehen aber immer mehr digitale Anbieter dazu über, von ihren Kunden ausschliesslich eine Kündigung auf digitalem Weg zu verlangen.

So hat der zweitgrösste Telekomanbieter der Schweiz, Sunrise, darüber informiert, dass er inskünftig keine Abo-Kündigungen per Brief und auch nicht mehr per E-Mail akzeptiert. Bei Sunrise kann rechtsgültig nur noch per Chat oder Anruf im Call-Center gekündigt werden. Sunrise begründet die Änderung insbesondere mit der Vermeidung von Missverständnissen im Kündigungsprozess. Immer mehr Kunden hätten Bündelangebote aus Telefonie, Internet oder Fernsehen abonniert. Darum gebe es oft Unklarheiten in schriftlichen Kündigungen, und es brauche immer mehr Rückfragen, die am Telefon oder Chat im direkten Kundenkontakt geklärt werden könnten.

Aus juristischer Sicht stellt sich die Frage, ob ein digitaler Anbieter seinen Kunden vorschreiben kann, über welchen (digitalen) Kommunikationskanal er kündigen muss und ob dann eine Kündigung auf dem Postweg effektiv ungültig ist.

Bei digitalen Dauerangeboten, wie z.B. eben Telekom-Abos, handelt es sich in der Regel um Aufträge und im Gesetz nicht ausdrücklich genannte Verträge (sogenannte Innominatsverträge), wie z.B. die Lizenz. Für diese Verträge gilt einerseits die Vertragsfreiheit nach Art. 19 Obligationenrecht (OR) und andererseits sieht das Gesetz für die Kündigung solcher Verträge keine besonderen Vorschriften vor.

Damit ist es den digitalen Anbietern grundsätzlich erlaubt, z.B. im Rahmen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB; s. „Verträge in digitalen Projekten“) zu bestimmen, dass Kündigungen ausschliesslich über einen bestimmten Kommunikationskanal, z.B. über ein Online-Formular erfolgen müssen. Unter diesem Gesichtspunkt wären dann auch effektiv Kündigungen auf einem anderen Kanal, z.B. per Post nicht rechtsgültig.

Es fragt sich jedoch, ob eine solche Klausel nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäss Art. 2 Zivilgesetzbuch (ZGB) haltbar ist. Man stelle sich vor, dass eine Kunde ein Telekom-Abo zweifelsfrei per Einschreibebrief kündigt, der Anbieter den Willen des Kunden klar erkennt, aber dann auf dem digitalen Kanal beharrt. Eine solche Haltung ist wider jede Vernunft und damit auch treuwidrig nach Art. 2 ZGB.

Zudem könnte eine solche Bestimmung in AGB auch ungewöhnlich im Sinne der Ungewöhnlichkeitsregel bei AGB (s. s. „Verträge in digitalen Projekten“) und damit wiederum nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ungültig sein, da ein Kunde eine solche Klausel in AGB nicht erwarten musste.

Schlussendlich muss bei der Kündigung über einen digitalen Kanal auch der Beweis für den Kunden gewährleistet sein. Bei Kündigungen gilt in der Regel das Zugangsprinzip. D.h. der Kunde muss vom entsprechenden System, wie bei einem eingeschriebenen Brief, einen Zeitstempel für den Moment des Zugangs erhalten; analog der Bestellungs-Bestätigung im E-Commerce gemäss Art. 3 Abs.1 lit. s Ziff. 4 Lauterkeitsgesetz (UWG; s. dazu auch „Wettbewerbsrecht in der digitalen Welt“).

Auch wenn damit nicht unmittelbar gerechnet werden muss, werden früher oder später Gerichte darüber zu entscheiden haben, ob die Vorschrift eines digitalen Anbieters, einen bestimmten, ausschliesslich digitalen Kanal zur Kündigung zu benutzen, rechtens ist. Sollte ein Gericht dies bejahen, wird das Gericht oder der Gesetzgeber auch die Bedingungen bestimmen müssen, eben z.B. insbesondere die Pflicht, dem Kunden eine unmittelbare Bestätigung des Eingangs der Kündigung mit Zeitstempel zukommen zulasse.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Sammelklagen wegen Handy-Sucht?

Ueli Grüter in der Sendung 10vor10 von SRF vom 10.01.2018
Zwei Grossaktionäre haben den iPhone-Hersteller Apple aufgefordert, gegen Smartphonesucht bei jungen Menschen vorzugehen. So soll der Konzern eine Software entwickeln, mit der Eltern die Nutzungsdauer beschränken können. Bei den zwei Investoren handelt es sich um den Hedgefonds Jana Partners und den kalifornischen Lehrer-Pensionsfonds CalSTRS. Nach ihrem Willen soll Apple zudem untersuchen lassen, wie sich die übermässige Telefonnutzung auf die Psyche auswirkt. Die Manager beider Fonds seien besorgt, dass sich das Thema negativ auf den Apple-Aktienkurs auswirke, wenn es nicht angegangen werde. Sie verfügen demnach zusammen über Anteilsscheine im Wert von etwa zwei Milliarden Dollar.

Die Journalisten der Sendung 10vor10 von Schweizer Radio und Fernsehen SRF wollten von mir wissen, wie gross die Gefahr für Apple in der Sache aus rechtlicher Sicht effektiv sei. Im Rahmen der Sendung vom 10. Januar 2018 habe ich erklärt, dass man Parallelen zu den Tabak-Prozessen ziehen könne, in denen US-amerikanische Richter den Klägern Glauben geschenkt haben, die behauptet haben, sie hätten nicht gewusst, dass Rauchen schädlich sei. Zudem gibt es in den USA das formelle Rechtsmittel der Sammelklage (Class Action). Dafür müssen amerikanische Anwälte nur ein paar Betroffene finden, die sich durch ihre Handy-Sucht geschädigt fühlen und deren Handy-Sucht durch Psychlogen bestätigt werden. Damit können sie für vermutlich Millionen von potentiell Geschädigten klagen, die wegen dem Opt-out Prinzip der US-Sammelklagen automatisch im Boot sind, wenn sie nicht explizit selbst klagen wollen. Damit besteht m.E. sogar eine grosse Gefahr für Apple, aber auch alle anderen Handyhersteller, die Smartphones in den USA verkaufen sowie Anbieter von Internet-Services (Internet Provider) im Rahmen von Sammelklagen belangt zu werden. Möglicherweise wetzen die ersten US-Anwälte bereits ihre Messer …

Zum Beitrag in 10vor10 von SRF: http://bit.ly/2EzLZBE

Quelle: welt.de http://bit.ly/2FuC8yj

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Stiftung für Konsumentenschutz SKS konstruiert „Sammelklage“ gegen VW und AMAG

Ueli Grüter in der Tagesschau von SRF vom 07.09.2017 zur SKS-Sammelklage
Ueli Grüter in der Tagesschau von SRF vom 29.12.2017 zur SKS-Sammelklage

Zu den spektakulärsten Prozessen gehöhren die Sammelklagen (Class Actions) in den USA. Da klagt ein Rechtsanwalt für Tausende von Geschädigten auf Schadenersatz, z.B. auch gegen den Volkswagenkonzern im Diesel-Skandal. In den USA lebt eine eigentliche juristische Industrie von Sammelklagen, weil man in diesen Verfahren aufgrund der Hebelwirkung Millionen herausholen kann. Zudem werden aufgrund dieses Umstandes die Prozesse oft durch Vergleich, also eine Vereinbarung der Parteien im Prozess erledigt. Neben dem Big-Business für Rechtsanwälte und den mehr oder weniger grossen Entschädigungen für die Betroffenen (ich habe im Rahmen eines Vergleichs mit Amazon wegen einem Buchkartell eine Entschädigung von US$ 10.07 erhalten …), verhelfen Sammeklagen, neben der Punitive Damages (Strafzahlungen in Millionenhöhe im Zivilprozess) vor allem auch dem Konsumentenschutz zum Durchbruch.

Diesen Hebel möchte nun auch die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) für die Durchsetzung des schweizerischen Konsumentenrechts nutzen. Denn dieses ist bis dato „toter Buchstabe“. Konsumentinnen und Konsumenten klagen nicht, weil das Prozessrisiko für den einzelnen zu gross ist. Die Konsumentenschutzorganisationen klagen nicht, weil sie die notwendigen finanziellen Ressourcen nicht haben. Einen Ausweg aus diesem Dilemma sieht die SKS offenbar in der Sammelklage – obwohl des eine solche in der Schweiz formell gar nicht gibt!

Das scheint für die SKS kein Hindernis zu sein. Sie konstruiert einfach eine Sammelklage. Geht das überhaupt und wenn ja, wie?

Bei einer echten Sammelklage, wie es sie eben z.B. in den USA gibt, ist es möglich, mit einer einzigen Klage für alle Betroffenen zu klagen. Bei der US-Class-Action ist es sogar so, dass auch für diejenigen geklagt wird, die nicht explizit ihre Teinahme zugesagt haben. Wer nicht dabei sein will (weil er z.B. selber klagen will) muss dies explizit erklären (sogenanntes Opt-Out).

SKS versucht nun in der Schweiz in einem Musterprozess eine Sammelklage zu imitieren. Effektiv handelt es sich jedoch um eine Einzelklage (vorab eine Klage auf Feststellung unlauteren Verhaltens im Namen von SKS selbst) sowie eine Klagehäufung (mehrere einzelne Schadenersatzklagen gegen den gleichen Beklagten). Dabei hofft SKS wohl auch, wie dies eben häufig in den USA geschieht, dass ihre Prozessgegner nach einem ersten Urteil gegen sie einknicken und in einen Vergleich, also eine Vereinbarung zugunsten aller Kläger einwilligen.

Der Challenge bei diesem Vorgehen liegt m.E. weniger bei den Rechtfragen, sondern bei den technischen Fragestellungen und in der Kommunikation mit Hunderten, ja möglicherweise Tausenden von Personen, die ihre Ansprüche gegen VW und AMAG an die SKS abtreten. Da liegt eben der entscheidende faktische Unterschied zu einer effektiven Sammelklage, wie sie in den USA existiert. Aus diesem Grund dürften denn auch Sammelklagen, wenn auch nur konstruierte, in der Schweiz kein Big-Business werden.

Gerade deswegen muss man der SKS gegenüber besonders dankbar sein, dass sie die Mühsal einer konstruierten Sammelklage auf sich nimmt – für einen bissigen Konsumentenschutz auch in unserem Land!

Wie managed ein Gericht 6’000 praktisch identische Einzelklagen?

Da es in der Schweiz die formelle Sammelklage nicht gibt, wurden in der Sache gegen VW und AMAG 6’000 Einzelklagen eingereicht, die nun vom Gericht grundsätzlich auch einzeln beurteilt werden müssen. Immerhin dürfte es sich um eine sogenannte Klagehäufung handeln, bei der ein Gericht die Prozesse zusammenlegen kann. Nichtsdestotrotz handelt es sich bei den beanstandeten Dieselfahrzeugen um individuelle Güter (unterschiedliches Alter, unterschiedlicher Kilomenterstand, unterschiedlicher Zustand), sodass das Gericht wohl nicht umhin kommt, 6’000 Fahrzeuge einzeln zu beurteilen. Und die Kläger müssen ebenfalls auf jedes Fahrzeug individuell eingehen und den individuellen Schaden belegen. Dies entspricht der Substantiierungspflicht. Wenn die Kläger dieser Pflicht nicht nachkommen, könnte das Gericht seinerseits auf die Sache nicht eingehen. Interessant wäre in diesem Kontext zu vernehmen, inwiefern sich die Sache sowohl auf Seiten der Parteien, wie auch beim Gericht standardisieren lässt. Evtl. gibt es da einmal die Möglichkeit, von Seiten der Hochschule Einblick zu nehmen um daraus für künftige entsprechende Prozesse zu lernen.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 22. August 2018

Die juristische Krux mit der MwSt-Senkung

Am 24. September 2017 hat die Stimmbevölkerung der Schweiz die Vorlage der Altersreform 2020 abgelehnt. Eine direkte Folge der Ablehnung ist, dass die Mehrwertsteuer 2018 um 0,3 % sinkt. Grund ist das Auslaufen der IV-Zusatzfinanzierung. Dafür hatten Volk und Stände 2009 während sieben Jahren 0,4 % zusätzlich bewilligt. Diese Periode läuft Ende 2017 aus. Die Mehrwertsteuer sinkt aber nicht um 0,4 %, weil das Stimmvolk ab nächstem Jahr 0,1 % der Bahninfrastruktur zugesprochen hat (20 Minuten 24.09.2017).

Politiker, Fachleute und Medien haben seit der Abstimmung immer wieder darauf hingewiesen, dass gewährleistet sein müsse, dass die Reduktion von 0.3 % ab 1. Januar 2018 den Kunden weitergegeben werde. Dabei wurde auch auf vertragsrechtliche Fussangeln hingewiesen.

Umso erstaunter war ich, als ich heute ein Schreiben von ewl Energie Wasser Luzern, dem Elektrizitäts- und Wasserwerk der Stadt Luzern, in der Hand hielt, das als Provider auch Internet-Zugänge verkauft, in dem dieses die Kunden wie folgt informiert:

Per 1. Januar 2018 verändert sich die Schweizer Mehrwertsteuer von bisher 8 auf 7.7 Prozent. Die Preise unserer ewl internet Abos werden stets inklusive Mehrwertsteuer angegeben und ändern sich durch diese Anpassung nicht. Auch im 2018 werden Sie also eine ewl internet Rechnung mit dem für Sie gewohnten Betrag von uns erhalten.

Dies ist m.E. insbesondere juristisch falsch. Wenn ich aktuell einen Vertrag habe mit einem Internet-Abonnement, das inkl. MwSt CHF 70.00 kostet, heisst dies, dass dieses Abonnement im Dezember 2017 CHF 64.80 plus 8 % MwSt., also CHF 5.20 kostet. Das gleiche Abo kostet gemäss entsprechendem Vertrag im Januar 2018 ebenfalls CHF 64.80 plus nunmehr 7.7 % MwSt., also CHF 5.00. Damit kostet das Abo mit gleichem Vertrag nicht mehr CHF 70.00, sondern neu CHF 69.80.

Es trifft natürlich zu, dass es sich in diesem Beispiel um einen sehr kleinen Betrag handelt, sowohl für die Kunden, wie wohl auch für das ewl selber, und dass natürlich für die Werbung ein Preis von CHF 70.00 schicker aussieht, als ein Preis von CHF 69.80. Gerade als staatliches Unternehmen geht es m.E. aber sowohl juristisch, wie politisch nicht an, dass man bestehende Verträge nicht einhält und de facto, aber auch de iure eine Preiserhöhung vornimmt, der der Kunde nicht zugestimmt hat.

Das ewl hat am 22. Dezember 2017 dazu wie folgt Stellung genommen:

Wir vertreten rechtlich eine andere Auffassung. Wir gehen vom mit dem Kunden vereinbarten Preis und vom damit zusammenhängenden Willen der Vertragsparteien aus. Danach gilt: Die Internet-Abos werden von ewl zu einem pauschalen Fixpreis angeboten und vom Kunden zu diesem Pauschalpreis bestellt. Im Pauschalpreis sind alle Leistungen, Kosten und Abgaben inbegriffen, unabhängig von deren konkreten Höhe. Die einzelnen Bestandteile des Pauschalpreises werden im Angebot von ewl denn auch nicht einzeln beziffert. Das gilt auch für die Mehrwertsteuer, die im Pauschalpreis inbegriffen ist. Der Kunde bestellt das Internet-Produkt unabhängig des Mehrwertsteuersatzes zum festen Pauschalpreis. Weiter halten wir hierzu fest, dass wir im letzten Jahr das Preis-Leistungsverhältnis verbessert haben. Die Kunden erreichen uns nun 7×24 Stunden, damit sie rund um die Uhr ihre Anliegen an uns richten können. Diese Mehrkosten trägt ewl, welche für die Kunden keine Preiserhöhung zur Folge hatte.

Die Antwort überzeugt m.E. juristisch nicht, da das ewl den Pauschalpreis eben nicht „plus MwSt.“ publiziert, sondern „inkl. MwSt.“. Damit ist die Mehrwertsteuer eben im Pauschalpreis inbegriffen und der Preis muss unter bestehenden Verträgen um die 0.3 % MwSt. reduziert werden, da der MwSt.-Satz ja zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses den Kunden bekannt war, im Gegensatz zu den übrigen „Leistungen, Kosten und Abgaben“; die im übrigen bei der Preisangabe auch nicht explizit erwähnt werden (also nicht „inkl. Leistungen, Kosten und Abgaben“).

Thema in der Luzerner Zeitung vom 23.12.2017: ewl – Internetkunden gehen leer aus
Zum Artikel: LZ 23.12.2017 ewl – Internetkunden gehen leer aus

Wie passt man Geschäftsbedingungen, insb. auch AGB und Preise korrekt an?

Die Praxis zeigt, dass das ewl nicht das einzige Unternehmen ist, das mit der Änderung der Geschäftsbedingungen Mühe bekundet. Die Sache ist aber eigentlich ganz einfach. Gemäss Art. 1 des Schweizerischen Obligationenrechts (OR) braucht es für den Abschluss eines Vetrages bzw. einer Vereinbarung „die übereinstimmende gegenseitige Willensäusserung der Parteien“. Dies betrifft auch Vertragsänderungen, insbesondere auch die Erhöhung eines Preises. Juristisch ideal wäre es darum, wenn man dafür erneut die Unterschrift des Kunden einholen würde. Da dies in der Praxis, insbesondere bei sehr vielen Kunden, kaum praktikabel ist, ist die Best Pratice für Vertragsänderungen, dass man die Kunden darüber informiert und sie darauf hinweist, dass, sollten die Kunden den Vetrag nicht ordentlich kündigen, davon ausgegangen werden kann, dass nach Ablauf der nächsten Kündigungsfrist die neuen Bedingungen gelten. Das machen z.B. öfters Kreditkartenfirmen. Übrigens. Eine Bestimmung in den AGB, dass diese einseitig von einem Unternehmen angepasst werden können, verstösst m.E. gegen Art. 27 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB), der Teil des Persönlichkeitsrechts ist und vor der „Entäusserung der Freiheit“, hier die Vertragsfreiheit schützt.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 27. Dezember 2017

NAVYBOOT verschickt illegale SMS

Seit einiger Zeit nimmt offenbar der Versand von Werbe-SMS bzw. kommerziellen SMS von ansich seriösen Schweizer Unternehmen zu. In letzter Zeit habe ich als Kunde solche insb. von UBS und NAVYBOOT erhalten. Während UBS die Vorschrift von Art. 3 Abs. 1 lit. o des schweizerischen Lauterkeitsgesetzes (UWG), unter die auch SMS fallen, einhält und mir die Möglichkeit gibt, mit einer Nachricht „STOP TWINT“ an die Nummer 5555 mich von der Liste der Adressaten der Werbe-SMS zu löschen, besteht diese Möglichkeit bei den Werbe-SMS von NAVYBOOT nicht. Damit sind die Werbe-SMS von NAVYBOOT gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG illegal, was gemäss Art. 23 UWG strafbar ist.

Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG müssen auch bestehende Kunden die Möglichkeit haben, bei Werbemails und Werbe-SMS sich jederzeit aus entsprechenden Adressaten-Listen austragen zu lassen und dies auf einfache Weise (sog. „Unsubscription“, Opt-out-Prinzip).

Wie man legal Werbemails und Werbe-SMS versendet steht in diesem Blog-Beitrag: https://wp.me/p8RKnD-59.

Über zwei Monate nach meiner Abmahnung hat sich NAVYBOOT mit Schreiben vom 7. Februar 2018 bei mir gemeldet und zur Sache wie folgt Stellung genommen:

Wir hatten es leider bei Projektbeginn unterlassen, die von unserer Agentur vorgestellte
SMS Werbeversand Lösung rusätzlich selber auf die juristischen Voraussetzungen zu
prüfen. Sie haben selbstverständlich mit der Aussage recht, dass ein solcher SMS Werbeversand
dem Kunden eine einfache Möglichkeit geben muss, künftige Werbung abzustellen.
Wir haben aufgrund Ihrer Rückmeldung deshalb umgehend eine entsprechende Programmierung
für eine Abmeldung in Auftrag gegeben. Künftige Werbe-SMS seitens unserer
Unternehmung an unsere Crew Member werden somit künftig nur mit einem Link flir die
Abmeldung versandt.

Das wäre jetzt korrekt. Auch ein Abmelde-Link (Unsubscription), statt einer Stopp-SMS, erfüllt die Voraussetzungen von Art. 3 Abs. 2 lit. o UWG.

Zusätzliche „Lesson to learn“: Arbeiten von Werbe-/Marketingagenturen immer auch juristisch prüfen. Offenbar kann man sich nicht darauf verlassen, dass dies Agenturen selbst tun.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch

Aktualisiert am 08. Februar 2018