Keine Kreditkarte über die eigene Bank!

Tipps vom Rechtsanwalt zur Verwendung von Kreditkarten

Ferienzeit ist Kreditkartenzeit. Es werden Fälle von Kreditkartenmissbrauch an mich als Rechtsanwalt herangetragen. Und die Leute wollen wissen, ob ich ihnen juristische Tipps bei der Verwendung von Kreditkarten hätte. Ja, die habe ich, auch wenn sie mehr taktischer, als juristischer Natur sind.

Tipp Nr. 1: Keine Kreditkarte über die eigene Bank!

Soeben haben die Schweizer Banken ihre Kundenkarten zu Karten transformiert, die wie Debit- oder Kreditkarten verwendete werden können, mit denen z.B. auch im Internet bzw. E-Commerce eingekauft werden kann. Insbesondere Kunden, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, haben nun eine Debit- oder Kreditkarte, die direkt über ihr Bankkonto abgerechnet wird. Auch wenn dies über Lastschrift erfolgt, wo der Kunde die Abbuchung auf dem Konto allenfalls widerrufen kann, besteht das faktische Problem, dass im Streitfall mit der Bank der Kunde das Geld «zurückklagen» muss. Hat man jedoch eine Kreditkarte von einem Anbieter, der von der eigenen Bank unabhängig ist, wie z.B. Cornèr, wird der streitige Betrag zwar der Kreditkarte belastet, jedoch nicht dem Bankkonto. In diesem Fall müsste dann der Kreditkarten-Anbieter gegen den Kunden klagen und nicht umgekehrt. Das ist mindesten ein taktischer Vorteil.

Tipp Nr. 2: Debitkarten statt Kreditkarten verwenden

Der Vorteil von Debitkarten, gegenüber Kreditkarten ist, dass nicht mehr bezogen werden kann, als einbezahlt wurde. Der Nachteil ist dabei jedoch, dass man die Debitkarte immer wieder «nachfüllen» muss. Die Kreditkarte mit Kreditlimit hat die gleiche Wirkung, ohne dass man immer wieder Beträge nachladen muss (s. dazu nachfolgend).

Tipp Nr. 3: Kreditlimit auf Kreditkarten reduzieren

In jedem Fall sollte bei Kreditkarten das Kreditlimit auf einen Betrag reduziert werden, der nicht höher ist, als der effektive Bedarf pro Tag oder Monat. Bei den meisten Anbietern kann z.B. vor Ferien das Kreditlimit temporär erhöht werden.

Tipp Nr. 4: Nur virtuelle Debit- oder Kreditkarten verwenden

Virtuelle Debit- oder Kreditkarte, wie die schweizerische Lösung «Twint»* oder «Apple Pay» oder «Google Pay» haben den enormen Vorteil, dass sie mindestens physisch nicht geklaut werden können. Seit Corona sind mir auch keine Bezahlterminals mehr begegnet, bei denen ich nicht kontaktlos hätte zahlen können. Um allenfalls in den Ferien doch noch Bargeld mit der Kreditkarte zu beziehen, kann man diese ja mitnehmen, jedoch im Safe im Hotelzimmer zurücklassen.

*Extra-Tipp: Bei der Twint-App von UBS kann man irgend eine Kreditkarte hinterlegen, also auch eine solche, die nicht von UBS kommt, was bei den Apps der anderen Banken nicht geht, und man muss auch nicht, wie bei der App von Twint selber, vorab einen Betrag einzahlen. Vielen Dank, UBS :-)!.

Tipp Nr. 5: Virtuelle Einwegkarte bei unsicheren Anbietern verwenden!

Eine ganz clevere Lösung für die Bezahlung bei unsicheren Anbietern bietet u.a. das britische Fintech-Unternehmen «Revolut» an: die Einwegkarte. Dabei handelt es sich um eine Debitkarte, die wie eine Kreditkarte u.a. im E-Commerce, aber u.a. auch über «Twint», «Apple Pay» und «Google Pay» verwendet werden kann. Nach jedem Gebrauch wird die Kreditkarte jedoch gelöscht und für den nächsten Einkauf kann man auf der Revolut-App ganz einfach eine neue Einwegkarte holen. Sicherer geht’s fast nicht mehr.

Tipp Nr. 6: Kartensperre und neu Karte ganz easy bei virtueller Revolut-Karte

Viele kennen es. Sperrt das Kreditkartenunternehmen die Kreditkarte selbst, weil es irgendwelche ungewöhnliche, möglicherweise kriminelle Transaktionen feststellt, oder verliert man die Kreditkarte und muss sie selber sperren lassen, dauert es in der Regel Tage, bis man die neue Kreditkarte erhält. Beim britischen Fintech-Unternehmen «Revolut» geht das jedoch bei der virtuellen Debit- bzw. Kreditkarte in der App hingegen zack, zack! Entweder sperrt Revolut die Kreditkarte selbst und man kann sie entweder über die App sofort wieder entsperren oder man erhält über die App sogleich eine neue.

Zu Revolut aber auch noch eine Warnung. Meine Erfahrung zeigt, dass die Kommunikation mit Revolut umständlich ist, teilweise sogar über virtuelle Assistenten, sogenannte Bots läuft. Dagegen ist es in der Regel einfach, mit den Hotlines von Kreditkartenfirmen zu telefonieren und z.B. falsche oder missbräuchliche Transaktionen zu regeln. Ich würde darum keinen zu grossen Betrag auf das Konto der Revolut-Debitkarte einzahlen.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.schneiderfeldmann.legal, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch

Migros-Online-Shop liefert nicht – Kann man Bestellung widerrufen?

Am 5. Juli 2020 habe ich bei der Migros-Tochter Melectronics ein Produkt bestellt. Melectronics hat mir in einer Bestellbestätigung mitgeteilt, das Produkt würde mir voraussichtlich am 10. Juli 2020 zugestellt. Am 13. Juli 2020 habe ich bei Migros nachgefragt, ob man mir das Produkt wohl noch zusenden werde. Darauf hat mir Migros im Klartext geantwortet, man sei im Moment mit Bestellungen und Anfragen überfordert und werde mir sobald als möglich ein Feedback senden. Zwischenzeitlich war ich in einer Melecronics-Filiale und habe das bestellte Produkt dort sofort kaufen können. Ich habe mich darum gefragt, ob ich die Bestellung bei Migros bzw. Melectronics widerrufen könne.

Bestellung ist juristisch eine Offerte

Grundsätzlich handelt es sich bei einer Bestellung in einem Online-Shop, falls ein Produkt per Post oder Kurier zugestellt werden muss, nicht um eine Annahme, sondern um eine Offerte des Kunden (mittelbarer Kauf nach Art. 7 des schweizerischen Obligationenrechts). D.h. der Vertrag mit dem Online-Shop kommt erst zustande, wenn der Online-Shop die Bestellung seinerseits vorbehaltslos bestätigt. Dies tun Online-Shops in der Regel jedoch gerade nicht. Sie bestätigen lediglich, dass die Bestellung eingegangen sei und dass man den Kunden wieder informieren werde. Melectronics halten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sogar explizit fest: Ein Vertrag kommt erst durch den Versand der bestellten Produkte bzw. Vereinbarung des Liefertermins bzw. Zustellung der Abholeinladung zustande. Sobald die Bestellung versendet wurde, wird dies dem Kunden per E-Mail mitgeteilt.

Kunde ist grundsätzlich an Bestellung gebunden

Der Kunde dagegen ist grundsätzlich an seine Bestellung bzw. eben Offerte solange gebunden, bis er nach dem Grunsatz von Treu und Glauben eine Annahme der Bestellung bzw. der Offerte erwarten darf (Art. 5 OR).

Insbesondere, wie im vorliegenden Fall der Bestellung bei Melectronics, wenn der Online-Shop Angaben zum Lieferungs-Datum macht, kann vom Kunden nach Treu und Glauben aber nicht erwartet werden, dass er über diesen Termin hinaus auf das bestellte Produkt warten muss.

Widerruf oder Rücksendung des Produkts

Ist der Kunden basierend darauf oder basierend auf der Regel von Art. 5 OR nicht mehr an seine Offerte bzw. Bestellung gebunden, kann er entweder explizit seine Bestellung widerufen (was zu empfehlen ist; E-Mail mit Empfangsbestätigung) oder dann später das bestellte Produkt einfach zurücksenden, mit dem Hinweis auf die Regel von Art. 5 OR.

Rückgaberecht gemäss AGB

Die AGB von Melectronics sehen darüber hinaus aber auch noch ein Rückgaberecht innert 30 Tagen vor; mit wenigen Ausnahmen. Selbstverständlich kann man ein Produkt, das man nicht mehr will, weil es zu spät geliefert wurde, auch basierend darauf zurücksenden.

Bestellen Sie grundsätzlich immer auf Rechnung

Zum Schluss noch ein rechtspraktischer Tip. Bestellen Sie wenn immer möglich auf Rechnung. In diesem Fall müsste der Online-Shop bei Problemen mit Bestellung und/oder Kauf aktiv gegen Sie vorgehen und Sie erparen sich die Umtriebe mit Ihrer Kreditkartenfirma; obwohl die Kreditkartenanbieter nach meiner Erfahrung in der Regel sehr kooperativ sind.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch