Legal Tech im Praxischeck

Hochschule Luzern @ Walder Wyss

Wie Fin Tech und Med Tech tönt auch Legal Tech cool. Aber, kann man Legal Tech auch in der Praxis sinnvoll einsetzen? Das wollten die Business-Studierenden der Hochschule Luzern in der Vertiefung (Major) Management & Law wissen und trafen sich mit den Praktikern von Walder Wyss, einer der führenden Schweizer Anwaltskanzleien im Wirtschaftsrecht.

Was ist Legal Tech?

Im Modul Digital Entrepreneurship & Law haben die Studierendenden gelernt, dass Legal Tech (engl. legal = dt. rechtlich; Tech kurz für engl. Technology = dt. Technologie) im weiten Sinne für die Digitalisierung der Rechtsbranche, also der Anwaltskanzleien, der Rechtsabteilungen von Unternehmen und der Justiz steht. Dazu gehört die digitale Vorbereitung von Rechtsberatung und Rechtsprozessen durch die Klienten selbst, die Digitalisierung der Kommunikation, z.B. durch Online-Beratung, die automatisierte Erstellung von Rechtsdokumenten, wie Verträge, sogar selbsterfüllende Verträge, sogenannte Smart Contracts, digitale Tools für die Dokumenten-Analyse, z.B. im Rahmen einer Due Diligence, die vollständige Digitalisierung der Justiz, bis hin zu automatisierten Gerichtsprozessen (sic!) (s. dazu auch digilaw.ch Kapitel 14.01 Was ist Legal Tech).

Sinnvoller Einsatz von Legal Tech durch 240 juristische Expertinnen und Experten

Mit dem sinnvollen Einsatz von Legal Tech durch die mehr als 240 juristischen Expertinnen und Experten bei Walder Wyss beschäftigen sich Dr. Michael Isler, Rechtsanwalt, Partner und Mitglied der Geschäftsleitung, und der Jurist und ETH-Absolvent Urs Bracher, Leiter der Fachstelle Legal Tech & Know-how Management.

Von der klassischen zur digitalisierten Anwaltskanzlei

Michael Isler erklärt den Studierenden, wie eine grössere Wirtschaftskanzlei funktioniert, bei der ein/e Partner/in von mehreren Associates (Juristen/innen ohne Partnerstatus) unterstützt wird. Dies führt tendenziell zu einer Pyramidenstruktur, die einem langsam einsetzenden Wandel unterliegt. Eine bereits im Jahr 2016 publizierte Studie prognostiziert, dass sich durch den immer stärkeren Einsatz von Paralegals (Nicht-Juristen/innen, aber juristisch geschultes Fachpersonal) und Legal Tech die Struktur zu einer «Rakete» verändern wird (s. Grafik online). Die Partner/innen werden nicht mehr ausschliesslich durch Associates unterstützt, sondern vermehrt durch Paralegals und Legal Tech, wodurch der Anteil Partner/Associates in der Pyramide schmilzt und Paralegals und Legal Tech den bisherigen Platz einnehmen. Zudem können Anwaltskanzleien in Zukunft auch vermehrt juristische Produkte zu einem Pauschalpreis anbieten, statt einzelne Stunden abzurechnen. Dazu werden sie einerseits von neuen Anbietern auf dem juristischen Markt (Nicht-Anwaltskanzleien, wie z.B. https://www.cancelled.ch) und anderseits von ihren Klientinnen gedrängt werden, insbesondere im internationalen Kontext. Letztere erwarten, dass der Preis dem effektiven Nutzen der Rechtsdienstleistung für den Klienten, was nicht zwingend dem geleisteten Stundenaufwand entspricht. Michael Isler weist jedoch darauf hin, dass die Digitalisierung der Rechtsbranche, insbesondere die Einführung von Legal Tech in Anwaltskanzleien, eine anspruchsvolle und langwierige Angelegenheit sei. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gehören zu einer konservativen Berufsgruppe, wie z.B. auch die Ärztinnen und Ärzte. Innovationen haben es also generell schwer und nicht alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind gleich technik- bzw. digitalaffin.

Legal Tech Tools in der Anwaltspraxis

Dass die juristischen Expertinnen und Experten einen möglichst einfachen und schnellen Einstieg in Legal Tech Anwendungen erhalten, gehört bei Walder Wyss zum anspruchsvollen Job von Urs Bracher; als Jurist mit technischem Hintergrund ein Brückenbauer zwischen Recht und Technik. Urs Bracher strebt bei einer der grössten Anwaltskanzleien der Schweiz eine möglichst umfassende Digitalisierung von Recherche (z.B. Rechtsprechung), Dokumentenerzeugung (z.B. Verträge), Dokumentenanalyse (z.B. Due Diligence) und Kollaboration (unter den Mitarbeitenden, aber auch mit den Klientinnen und Klienten) an. So betreut er mit seinem Team ein Knowledge-Management-System mit dem Ziel eines Single Points of Research, das step-by-step produktiv genutzt wird. Dazu kommt ein Portal zur teilautomatisierten Erstellung von Dokumenten, in welchem die Anwenderinnen und Anwender durch einen Fragebogen geführt werden, wobei die Dokumente anschliessend vom System erstellt werden (s. dazu ähnlich Demo auf https://de.lawlift.com). Insbesondere bei einer Due Diligence kommt bei Walder Wyss zudem ein Dokumenten-Analyse-Programm zur Anwendung. Urs Bracher weist darauf hin, dass die Kosten für die Lizenzierung entsprechender Programme in der Regel klein sind und schnell amortisiert werden können. Aufwendig sind dagegen deren kanzleiinterne Anpassung an die konkreten Bedürfnisse der juristischen Expertinnen und Experten.

Keine arbeitslosen Rechtsanwälte/innen wegen Legal Tech

Sowohl Michael Isler wie auch Urs Bracher stellen abschliessend fest, dass Legal Tech Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht arbeitslos macht. Dass Legal Tech die juristische Arbeit von selbst erledige, sei mindestens vorderhand für einen Grossteil der Aufgaben eine Illusion. Legal Tech unterstütze jedoch die juristischen Expertinnen und Experten in ihrer täglichen Arbeit und reduzieren deren Zeitaufwand, je nach Anwendung sogar beträchtlich.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch