Schweizer Geoblocking-Verbot

Parlament gebärt «Tiger ohne Zähne»

Zu Beginn dieses Jahres wurde mit dem neuen Artikel 3a des Lauterkeitsgesetzes (UWG) ein Verbot zur Diskriminierung im Fernhandel (Internet, Telefon, Katalog) von Kunden in der Schweiz in Kraft gesetzt. Mit diesem Artikel hat das schweizerische Parlament im März letzten Jahres jedoch einen «Tiger ohne Zähne» geboren. Da ein Verstoss gegen die neue Regelung nicht strafbar ist, können Konsumentinnen und Konsumenten nicht einfach eine Strafanzeige einreichen, sondern müssten sich in einem kostspieligen Zivilprozess zur Wehr setzen. Das ist eine absolute Illusion. Damit dürfte das «Geoblocking-Verbot», wie z.B. schon das bisherige Datenschutzgesetz, höchstens eine «homöopathische» Wirkung zeigen …

Gemäss Art. 3a UWG handelt unlauter, wer im Fernhandel (Internet, Telefon, Katalog) ohne sachliche Rechtfertigung einen Kunden in der Schweiz aufgrund seiner Nationalität, seines Wohnsitzes, des Ortes seiner Niederlassung, des Sitzes seines Zahlungsdienstleisters oder des Ausgabeorts seines Zahlungsmittels:

  • beim Preis oder bei den Zahlungsbedingungen diskrimi­niert;
  • ihm den Zugang zu einem Online-Portal blockiert beziehungsweise be­schränkt («Geoblocking»);
  • ihn ohne sein Einverständnis zu einer anderen als der ursprünglich aufgesuchten Version des Online-Portals weiterleitet.

Diese Aufzählung ist alternativ. Ist also einer der drei Tatbestände erfüllt, ist Art. 3a UWG verletzt.

Was eine Diskriminierung bei Preis oder Zahlungsbedingungen ist, hat der Gesetzgeber nicht definiert. So dürfte es zulässig sein, dass ein Anbieter zu höheren Preisen in die Schweiz liefert, wenn er dies sachlich begründen kann, z.B. mit entsprechenden Logistikkosten. Selbstverständlich ist es einem Anbieter auch unbenommen, überhaupt nicht in die Schweiz zu liefern.

Keine Anwendung auf Netflix & Co.

Unbegreiflich ist auch der umfangreiche Katalog von Ausnahmen, der insbesondere audiovisuelle Dienste von der Regelung ausnimmt, wie z.B. Netflix und Spotify. Keine Anwendung findet das Diskriminierungsverbot auch auf nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse; Dienstleistungen im Finanzbereich; Dienstleistungen der elektronischen Kommunikation; Dienstleistungen des öffentlichen Verkehrs; Dienstleistungen von Leiharbeitsagenturen; Gesundheitsdienstleistungen; Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschliesslich Lotterien, Glücksspiele in Spielbanken und Wetten; private Sicherheitsdienste; soziale Dienstleistungen aller Art; Dienstleistungen, die mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden sind; Tätigkeiten von Notaren sowie von Gerichtsvollziehern, die durch staatliche Stellen bestellt werden.

«Tiger ohne Zähne»

Das Verbot des Geoblockings nach Art. 3a UWG ist ein «Tiger ohne Zähne» (!). Im Gegensatz insbesondere zu den Tatbeständen von Art. 3 UWG, nota bene den Bestimmungen zum sog. Spamming und zu den Informationen im E-Commerce, ist eine Verletzung des Geoblockings nach Art. 3a UWG gemäss Art. 23 UWG nicht strafbar. Konsumentinnen und Konsumenten müssten also im konkreten Fall gemäss Art. 9 ff. UWG einen Zivilprozess anstrengen, der enorme Kosten verursachen kann (s. dazu digilaw.ch) und damit als Rechtsmittel illusorisch ist.

Support durch Konsumentenschutzorganisationen und Bund

Immerhin können nach Art. 10 UWG auch Konsumentenschutzorganisationen und der Bund klagen. Der Stiftung für Konsumentenschutz können Verstösse gegen Art. 3a UWG unter folgendem Link gemeldet werden: https://findmind.ch/c/xH1g-yK59. Beim Bund können Beschwerden unter folgendem Link angezeigt werden: https://www.seco.admin.ch/seco/de/home/Werbe_Geschaeftsmethoden/Unlauterer_Wettbewerb/Beschwerde_melden/Beschwerde_unlautere_Geschaeftspraktiken.html. Beide Organisationen werden aktiv, wenn eine grössere Anzahl Beschwerden eingegangen sind.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch

Aktualisiert am 15. April 2022

Widerrechtliche Verwendung von ® © TM und Patent kann strafbar sein!

Gemäss einem Bericht der Luzerner Zeitung vom 26. Januar 2022 hat das an der Schweizer Börse kotierte Unternehmen Blackstone Resources mit Sitz in Baar mit Patenten geworben, die es nicht besitzt bzw. die allenfalls noch im Anmeldeverfahren stecken. Der Journalist weist in seinem Artikel darauf hin, dass dies börsenrechtliche Konsequenzen habe könnte, da das börsekotierte Unternehmen damit u.U. gegen die Regeln von SIX verstösst.

Unlautere Schutzrechtsberühmung kann strafbar sein

Die Behauptung eines effektiv nicht registrierten Patents kann jedoch gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 23 des schweizerischen Lauterkeitsgesetzes (UWG) sogar strafbar sein. Dies gilt auch für die Verwendung des Zeichens ® für nicht registrierte Marken. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG handelt unlauter, wer über seine Waren, Werke oder Leistungen unrichtige oder irreführende Angaben macht oder in entsprechender Weise Dritte im Wettbewerb begünstigt. Letzteres kann z.B. zur Anwendung kommen, wenn ein Retailer ein entsprechendes, nicht existentes Recht bewirbt. Wer vorsätzlich gegen Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG verstösst, kann auf Antrag mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

«Patent pending» ist erlaubt

Erlaubt ist jedoch der Hinweis, dass ein Patent angemeldet wurde d.h. pendent ist («Patent pending»).

© und TM sind weniger problematisch

M.E. etwas weniger problematisch ist die Verwendung des Copyright-Zeichens © oder des, in unseren Breitengraden weniger üblichen Zeichens TM für eine nicht registrierte Marke (d.h. ein Name für ein Produkt [Ware oder Dienstleistung], der nicht registriert ist). Denn in diesen Fällen besteht ein grosser Interpretationsspielraum.

© bei Fotografien in der Schweiz immer erlaubt

Da Fotografien in der Schweiz seit der letzten Revision des Urheberrechtsgesetzes telquel geschützt sind (s. https://digilaw.ch/urheberrechtlicher-schutz-von-fotografien), kann nun mindestens in der Schweiz das Copyright-Zeichen © für Fotografien immer verwendet werden.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch

Aktualisiert am 30. Januar 2022

Erstes, hartes Urteil gegen illegale Kaffeefahrt

Seit 2012 sind sogenannte «Kaffeefahrten» nach Art. 3 Abs. 1 lit. t des schweizerischen Lauterkeitsrechts (UWG) verboten. Gemäss dieser Bestimmung handelt unlauter und macht sich nach Art. 23 UWG u.a. strafbar, wer im Rahmen eines Wettbewerbs oder einer Verlosung einen Gewinn verspricht, dessen Einlösung an die Teilnahme an einer Verkaufsveranstaltung oder Werbefahrt gebunden ist. Letztere werden auch als illegale «Kaffeefahrten» bezeichnet.

Nun hat das Landgericht Uri erstmals einen Organisator solcher illegaler «Kaffeefahrten» verurteilt, und zwar zu 33 Monaten Gefängnis, davon 13 Monate unbedingt. Zudem muss er gut 150 000 Franken als Ersatzforderung an den Staat abliefern. Ihm werden Widerhandlungen in 1432 Fällen zu Last gelegt.

Die Luzerner Zeitung hat auf ihrer Online-Plattform am 5. Juni 2020 ausführlich berichtet. Der Urteil des Landgerichts Uri ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht rechtskräftig.

Luzerner Zeitung 05.06.2020 Gewinnspiele entpuppten sich als Kaffeefahrten – Landgericht Uri verurteilt Organisator zu Haftstrafe

Sogar K-Tipp verschickt Spam-Mails!

Das Konsumentenmagazin K-Tipp, das Woche für Woche illegale Machenschaften von Unternehmen anprangert, hat heute selbst ein Spam-Mail versandt! Ich war zwar einmal Abonnent von K-Tipp, bin es aber zwischenzeitlich nicht mehr. Als ich mich mit einem Klick auf den Unsubscription-Button („Klicken Sie hier, um sich vom Newsletter abzumelden“) vom Newsletter abmelden wollte, wurde ich auf eine Seite geleitet, auf der ich mich wieder für den Newsletter anmelden, jedoch nicht abmelden kann (sic!) – und bin prompt reingefallen …

Dieses E-Mail von K-Tipp ist damit umfassend illegal. Es verstösst sowohl gegen das Opt-in-, wie auch gegen das Opt-out-Prinzip von Art. 3 Abs. 1 lit. o Lauterkeitsgesetz (UWG). Ein Verstoss gegen Art. 3 UWG kann nach Art. 23 UWG mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft werden. Die Details betreffend Spam-Mails werden im Blog-Beitrag Spam – Unerwünschte E-Mails sind illegal erörtert.

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.gsplaw.ch www.hslu.ch
www.twitter.com/juristenfutter digilaw.ch