Kein Urheberrecht für Birkenstock-Sandalen

Am 20. Februar 2025 hat der Deutsche Bundesgerichtshof in drei Revisionsverfahren entschieden*, dass die legendären Sandalen von Birkenstock in Deutschland keinen urheberrechtlichen Schutz als Werke der angewandten Kunst geniessen.

Kurzer Designschutzhohe Hürden für Urheberrechtsschutz

Typisch wäre für Produkte, wie die Birkenstock-Sandalen, der Designschutz, der sowohl in Deutschland, wie in der Schweiz einen relativ tiefen Level an Originalität verlangt. Dieser dauert jedoch maximal 25 Jahre; auch in der Schweiz (s. dazu im Detail digilaw.ch Kapitel 08.08 Design). Da der Schuhmacher Karl Birkenstock seine ersten Modelle in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts entworfen hat, kam vorliegend nur noch der Urheberrechtsschutz infrage, der nach dem Tod des Urhebers noch 70 Jahre andauert; auch in der Schweiz. Die Hürden für den Urheberrechtsschutz sind jedoch sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz bedeutend höher, als für den Designschutz (s. dazu im Detail digilaw.ch Kapitel 08.05 Urheberrecht).

Birkenstock-Sandalen als «angewandte Kunst»

Birkenstock klagte in drei separaten Verfahren gegen verschiedene Konkurrenten, die ähnliche Sandalen verkaufen. Birkenstock hat dabei geltend gemacht, dass die Sandalen von Birkenstock als persönliche geistige Schöpfungen den Schutzvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 des Deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) entsprächen, da sie über individuelle gestalterische Elemente verfügten. Birkenstock verlangte Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie den Rückruf und die Vernichtung der Nachahmungen.

Birkenstock «Porsche unter den Sandalen»

In den Verfahren beriefen sich die Rechtsvertreter von Birkenstock u.a. auf einen Entscheid des Bundesgerichtshofes von April 2022 (I ZR 222/20), in dem dieser urteilte, dass die Gestaltung des Porsche 356 als Werk der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt ist. Birkenstock-Sprecher Jochen Gutzy: «Wenn man so will, sind wir – jedenfalls in rechtlicher Hinsicht – so etwas wie der Porsche unter den Sandalen» (Stern Online 20.02.2025).

Bundesgerichtshof verneint Urheberrechtsschutz von Birkenstock-Sandalen

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass Urheberrechtsschutz voraussetzt, dass ein Werk über eine hinreichende Gestaltungshöhe verfüge. Das bedeutet, dass ein gewisser gestalterischer Freiraum in künstlerischer Weise genutzt worden sein muss. Ein rein handwerkliches oder technisch bedingtes Design genüge nicht für den urheberrechtlichen Schutz. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass funktionale Anforderungen oder Marktgegebenheiten die Gestaltung erheblich beeinflussen können. Die Klägerin konnte nicht darlegen, dass ihre Sandalenmodelle eine solche Individualität aufweisen, die einen Urheberrechtsschutz rechtfertigen würden. Mit anderen Worten ergibt sich die Gestaltung der Birkenstock-Sandalen im Wesentlichen aus deren Funktion («Design follows Functionality»).

Birkenstock bleibt der Markenschutz

Es ist vielleicht ein schwacher Trost. Aber Birkenstock bleibt immerhin noch der Markenschutz. Wichtig ist darum, dass Produkte umfassend geschützt werden. Wenn ein Recht nicht durchsetzbar ist, bleiben vielleicht noch andere Rechte. Allenfalls greift als rechtliches «Auffangnetz» das Lauterkeitsrecht (s. dazu im Detail digilaw.ch Kapitel 08.02 Umfassendes Schutzrechte-Portfolio)

*I ZR 16/24; I ZR 17/24; I ZR 18/24 (zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Artikels noch nicht publiziert); Pressemitteilung: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/2025038.html?nn=10690868

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.hslu.ch, www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch, www.intla.ch, www.twitter.com/juristenfutter

Kein Urheberrechtsschutz für KI

US-amerikanische Mehrheitsmeinung gilt auch für die Schweiz

In den USA hat Beryl A. Howell, Richterin am District Court for the District of Columbia, in der Sache «Thaler v. Perlmutter» entschieden, dass Werke, die von künstlicher Intelligenz (KI; Artifical Intelligence, AI) ohne wesentlichen oder mindestens überwiegenden menschlichen Einfluss erstellt wurden, keinen urheberrechtlichen Schutz geniessen.

Von KI erstelltes Bild «A Recent Entrance to Paradise»

«Geistige [menschliche] Schöpfung» als Schutzvoraussetzung

In der Schweiz würde ein Gericht in dieser Sache wohl gleich entscheiden. Gemäss Art. 2 Abs. 1 des schweizerischen Urheberrechtsgesetzes (URG) ist eine der Voraussetzungen für urheberrechtlichen Schutz, dass es sich beim zu schützenden Werk um eine «geistige Schöpfung» handelt und diese muss «auf menschlichem Willen beruhen» (s. dazu u.a. OFK, Rehbinder/Haas/Uhlig, 2022, RZ 2 zu Art. 2 URG). Mit anderen Worten muss das Werk eben auch nach schweizerischem Recht wesentlich oder mindestens überwiegend von einem Menschen geprägt sein.

Erstellt also eine KI ein Werk (insb. Literatur, Musik, Malerei; s. Art. 2 Abs. 2 URG) mehrheitlich ohne von Menschen vorgegebenen Parametern, wäre dieses Werk auch nach schweizerischem Recht urheberrechtlich nicht geschützt. Ich gehe jedoch davon aus, dass dies aktuell in der Regel noch nicht der Fall ist, weil Programmierer/innen noch zu viel vorbestimmen. Wie stärker die Technologie aber fortschreitet, je wahrscheinlicher es wird, dass KI praktisch eigenständig, also ohne menschliche Vorgaben Werke kreieren. Will man diesen Werken ebenfalls urheberrechtlichen Schutz zukommen lassen, müsste man für die Schweiz Art. 2 Abs. 1 URG entsprechend revidieren. Dies ist bei der Revision von 2019 (in Kraft seit 2020) noch nicht passiert, obwohl es bei dieser Revision insb. um die Anpassung des Gesetzes an technologische Entwicklungen gegangen ist (s. IGE, Revision des Urheberrechts).

Hinweis: The Hollywood Reporter 18.08.2023 AI-Created Art Isn’t Copyrightable, Judge Says in Ruling That Could Give Hollywood Studios Pause

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Aktualisiert am 09. November 2023

Foto-Abmahnung – Was tun?

Es gab sie schon früher, aber seit der Revision des schweizerischen Urheberrechts und dem Telquel-Schutz von Fotos tauchen sie erst recht auf, die Foto-Copyright-Haie, d.h. Anwaltskanzleien, aber auch sonstige Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin besteht, andere wegen widerrechtlicher Verwendung von Fotografien, vor allem auf dem Internet, abzumahnen und dafür teilweise horrende Gebühren zu verlangen.

Unsere Klienten fragen uns dann verdattert an, ob diese Abmahnungen wohl seriös seien, ob sie die Fotos effektiv entfernen und die Gebühren bezahlen sollen.

Vorweg: keiner unserer Klienten hat bis jetzt bezahlt und keiner unserer Klienten wurde bis jetzt eingeklagt!

Das bedeutet zwar nicht, dass es keine seriösen und berechtigten Abmahnungen gibt, weist aber darauf hin, dass mindestens die uns bekannten wohl unberechtigt waren.

Foto-Abmahnung – Was tun?

Was soll man also tun, wenn man betreffend behaupteter widerrechtlicher Nutzung von Fotos abgemahnt wird? Das wichtigste ist, dass man einen Beleg für die Inhaberschaft des mit dem Foto verbundenen Urheberrechts verlangt. Wichtig dabei ist auch, dass z.B. eine Generalvollmacht eines Fotografen an eine Agentur nicht reicht. Der Urheber des Fotos, also der Fotograf muss bestätigen, dass er das beanstandete Bild effektiv fotografiert hat und dass er das mit diesem Bild verbundene Urheber-Vermögensrecht (Art. 10 Urheberrechtsgesetz, URG) an die Agentur übertragen hat. Ein solcher Beleg müsste auch für eine erfolgreiche gerichtliche Durchsetzung vorgelegt werden. Dies dürfte der Grund sein, wieso insbesondere US-amerikanische Fotoagenturen, wie z.B. Getty Images, ihre Rechte schlussendlich doch nicht, wie von den durch sie beauftragten Schweizer Anwälten angedroht, auf dem Gerichtsweg durchsetzen. Ein solcher Beleg ist für diese Agenturen im Einzelfall viel zu aufwendig. Bezahlt man an einen Unberechtigten, läuft man Gefahr, dass später auch noch der Berechtigte einen Anspruch erhebt, und man dann zwei Mal bezahlen muss. Wird effektiv ein entsprechender Beleg für die Inhaberschaft eines mit dem abgemahnten Foto zusammenhängenden Urheber-Vermögensrecht vorgelegt, sind zwei weitere Punkte zu prüfen. Mahnt nicht der Inhaber dieses Rechts selbst ab, muss derjenige, der die Abmahnung zugestellt hat, z.B. ein Rechtsanwalt, seinerseits belegen, dass er entsprechend bevollmächtigt ist. Zudem stellt sich die Frage, ob die verlangte Gebühr, die häufig eben horrend ist, überhaupt gerechtfertigt ist. Diesbezüglich kann man sich daran orientieren, wie wohl ein Gericht eine entsprechende Gebühr bzw. einen Schadenersatz wegen widerrechtlicher Urheberrechts-Nutzung berechnen würde. Dabei kommt regelmässig die sogenannte Lizenzanalogie zur Anwendung, d.h. ein Gericht fragt sich, was der widerrechtliche Nutzer wohl dem Berechtigten hätte zahlen müssen, wenn er von diesem legal eine Lizenz für das Foto bezogen hätte. Da die Nutzung aber widerrechtlich war, wird noch eine angemessener, aber nicht übermässiger Zuschlag gemacht; wohl nicht mehr als das Doppelte. Betreffend Urheberrechtslizenzen für Fotos kann man sich gerade bei entsprechenden Plattformen, wie diejenige von Getty Images orientieren. Schlussendlich braucht man selber einen Beleg für die Zahlung, den der Empfänger ausstellen muss.

In jedem Fall, bezahlen Sie nur mit grösster Vorsicht und Zurückhaltung, denn, wie gesagt, keiner unserer Klienten hat bis jetzt bezahlt und keiner unserer Klienten wurde bis jetzt eingeklagt!

Und zum Schluss noch dies. Werden Sie zu Unrecht abgemahnt, könnte diese Abmahnung eine unlautere Handlung nach Art. 3 Abs. 1 lit. b des Lauterkeitsgesetzes (UWG) darstellen, was wiederum nach Art. 23 UWG sogar strafbar sein könnte. D.h. Sie könnten als zu guter Letzt, nach juristischer Abklärung der Sache, allenfalls sogar gegen den Abmahner Strafanzeige bzw. Strafantrag stellen!

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.schneiderfeldmann.legal, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch

Schnappschuss ist nun auch urheberrechtlich geschützt

Revidiertes Urheberrechtgesetz

Am 1. April 2020 (kein Scherz!) ist das revidierte schweizerische Urheberrechtsgesetz (URG) in Kraft getreten. Gemäss diesem Gesetz sind nun Fotografien generell (telquel) geschützt, auch wenn sie keinen individuellen Charakter aufweisen (Art. 2 Abs. 3bis URG), also, auch wenn sie nicht besonders originell sind. Damit sind nun insbesondere auch sogenannte Schnappschüsse urheberrechtlich geschützt, d.h. Fotografien, deren Motiv gerade so im Bild festgehalten wird, wie es vorgefunden wird, wie z.B. der hier abgebildete, von mir fotografierte Mops. Dieses Foto wäre vor der Revision des Urheberrechtsgesetzes wohl eher nicht geschützt gewesen.

Gemäss revidiertem Urheberrechtsgesetz sind auch «mit einem der Fotografie ähnlichen Verfahren hergestellte Wiedergaben» generell urheberrechtlich geschützt. Dabei handelt es sich z.B. um Bilder, die durch Infrarot- und Röntgenstrahlen entstehen, Mikro- und Makrokopien, Abzüge eines Negativfilms sowie Einzelbilder aus visuellen bzw. audiovisuellen Werken, wie z.B. Filmstills.

Voraussetzungen für den generellen Schutz von Fotografien ist, dass diese ein dreidimensionales Objekt abbilden. Damit gibt es keinen Telquel-Schutz von Fotokopien, Fotos von Fotos u.ä.

Art. 2 URG verlangt für den urheberrechtlichen Schutz generell, dass es sich um eine «geistige Schöpfung» handelt. Eine solche kann nur durch Menschenhand entstehen. Diese Regel gilt nach wie vor auch für Fotos. Damit geniessen z.B. automatisiert hergestellte Fotografien, wie Radarfotos, Fotos von Überwachungskameras oder von Radarfallen keinen urheberrechtlichen Schutz.

Gemäss Art. 80 URG kommen diese Bestimmungen auch auf Fotos zur Anwendung, die vor deren Inkrafttreten gemacht wurden. Hat jemand jedoch eine Fotografie, die vor Inkrafttreten dieser neuen Regeln entstanden ist, vor Inkrafttreten des revidierten Urheberrechtsgesetzes ohne Einwilligung des Rechtsinhabers verwendet, z.B. auf einer Homepage oder in einem Prospekt, muss er jene nun nicht entfernen. Eine erneute Verwendung in einem anderen Kontext ist jedoch ohne Einwilligung des Inhabers der entsprechenden Rechte nicht mehr zulässig.

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Aktualisiert am 29. Oktober 2020