Foto-Abmahnung – Was tun?

Es gab sie schon früher, aber seit der Revision des schweizerischen Urheberrechts und dem Telquel-Schutz von Fotos tauchen sie erst recht auf, die Foto-Copyright-Haie, d.h. Anwaltskanzleien, aber auch sonstige Unternehmen, deren Geschäftsmodell darin besteht, andere wegen widerrechtlicher Verwendung von Fotografien, vor allem auf dem Internet, abzumahnen und dafür teilweise horrende Gebühren zu verlangen.

Unsere Klienten fragen uns dann verdattert an, ob diese Abmahnungen wohl seriös seien, ob sie die Fotos effektiv entfernen und die Gebühren bezahlen sollen.

Vorweg: keiner unserer Klienten hat bis jetzt bezahlt und keiner unserer Klienten wurde bis jetzt eingeklagt!

Das bedeutet zwar nicht, dass es keine seriösen und berechtigten Abmahnungen gibt, weist aber darauf hin, dass mindestens die uns bekannten wohl unberechtigt waren.

Foto-Abmahnung – Was tun?

Was soll man also tun, wenn man betreffend behaupteter widerrechtlicher Nutzung von Fotos abgemahnt wird? Das wichtigste ist, dass man einen Beleg für die Inhaberschaft des mit dem Foto verbundenen Urheberrechts verlangt. Wichtig dabei ist auch, dass z.B. eine Generalvollmacht eines Fotografen an eine Agentur nicht reicht. Der Urheber des Fotos, also der Fotograf muss bestätigen, dass er das beanstandete Bild effektiv fotografiert hat und dass er das mit diesem Bild verbundene Urheber-Vermögensrecht (Art. 10 Urheberrechtsgesetz, URG) an die Agentur übertragen hat. Ein solcher Beleg müsste auch für eine erfolgreiche gerichtliche Durchsetzung vorgelegt werden. Dies dürfte der Grund sein, wieso insbesondere US-amerikanische Fotoagenturen, wie z.B. Getty Images, ihre Rechte schlussendlich doch nicht, wie von den durch sie beauftragten Schweizer Anwälten angedroht, auf dem Gerichtsweg durchsetzen. Ein solcher Beleg ist für diese Agenturen im Einzelfall viel zu aufwendig. Bezahlt man an einen Unberechtigten, läuft man Gefahr, dass später auch noch der Berechtigte einen Anspruch erhebt, und man dann zwei Mal bezahlen muss. Wird effektiv ein entsprechender Beleg für die Inhaberschaft eines mit dem abgemahnten Foto zusammenhängenden Urheber-Vermögensrecht vorgelegt, sind zwei weitere Punkte zu prüfen. Mahnt nicht der Inhaber dieses Rechts selbst ab, muss derjenige, der die Abmahnung zugestellt hat, z.B. ein Rechtsanwalt, seinerseits belegen, dass er entsprechend bevollmächtigt ist. Zudem stellt sich die Frage, ob die verlangte Gebühr, die häufig eben horrend ist, überhaupt gerechtfertigt ist. Diesbezüglich kann man sich daran orientieren, wie wohl ein Gericht eine entsprechende Gebühr bzw. einen Schadenersatz wegen widerrechtlicher Urheberrechts-Nutzung berechnen würde. Dabei kommt regelmässig die sogenannte Lizenzanalogie zur Anwendung, d.h. ein Gericht fragt sich, was der widerrechtliche Nutzer wohl dem Berechtigten hätte zahlen müssen, wenn er von diesem legal eine Lizenz für das Foto bezogen hätte. Da die Nutzung aber widerrechtlich war, wird noch eine angemessener, aber nicht übermässiger Zuschlag gemacht; wohl nicht mehr als das Doppelte. Betreffend Urheberrechtslizenzen für Fotos kann man sich gerade bei entsprechenden Plattformen, wie diejenige von Getty Images orientieren. Schlussendlich braucht man selber einen Beleg für die Zahlung, den der Empfänger ausstellen muss.

In jedem Fall, bezahlen Sie nur mit grösster Vorsicht und Zurückhaltung, denn, wie gesagt, keiner unserer Klienten hat bis jetzt bezahlt und keiner unserer Klienten wurde bis jetzt eingeklagt!

Und zum Schluss noch dies. Werden Sie zu Unrecht abgemahnt, könnte diese Abmahnung eine unlautere Handlung nach Art. 3 Abs. 1 lit. b des Lauterkeitsgesetzes (UWG) darstellen, was wiederum nach Art. 23 UWG sogar strafbar sein könnte. D.h. Sie könnten als zu guter Letzt, nach juristischer Abklärung der Sache, allenfalls sogar gegen den Abmahner Strafanzeige bzw. Strafantrag stellen!

Ueli Grüter, LL.M., Rechtsanwalt, Hochschuldozent, www.schneiderfeldmann.legal, www.hslu.ch, https://twitter.com/juristenfutter, https://www.linkedin.com/in/ueli-grueter, www.digilaw.ch

Irrtum Höchstgeschwindigkeit!

Bild bfu

Höchstgeschwindigkeit darf nach SVG nicht immer ausgefahren werden

Die Stadt Luzern saniert momentan ihre maroden Wasserleitungen. Dafür werden ganze Quartierstrassen teils mit massiven Baumaschinen umgegraben. Dabei fahren die Bauleute mit ihren Gefährten teilweise in höllem Tempo durch die engen Strassen, was bei den gegebenen Umständen insbesondere für kleine Kinder äusserst gefährlich ist. Dies habe ich bei der zuständigen Bauleitung moniert. Daraufhin hat mir der Bauleiter mitgeteilt, in der nämlichen Quartierstrasse gelte Tempo 30 und die Baumaschinen könnten sowieso nicht schneller fahren. Mit anderen Worten: aus seiner Sicht alles okay … Weit gefehlt!

Immer Fahrzeug beherrschen

Immer wieder erliegen auch andere Fahrer dem Irrtum, wenn eine Höchstgeschwindigkeit gelte, dürfe man auch mindestens so schnell fahren. Das ist falsch. Denn Art. 32 des Strassenverkehrsgesetzes (SVG) schreibt generell vor, dass die Geschwindigkeit im Strassenverkehr stets den Umständen anzupassen ist, insbesondere dort, wo es eng und übersichtlich ist, also z.B. eben in Quartierstrassen. Das Fahrzeug muss bei eintretender Gefahr jederzeit rechtzeitig angehalten werden können. Art. 31 SVG statuiert dazu, dass ein Fahrzeugführer das Fahrzeug ständig so beherrschen muss, dass er seinen Vorsichtpflichten nachkommen kann. Das heisst konkret, dass man sogar bei einer Höchstgeschwindigkeit von 30 je nach Situation langsamer, also im Schritttempo fahren muss. Diese Regeln gelten im Übrigen nicht nur für Autofahrer, und wie vorliegend, Fahrer von Baumaschinen, sondern insbesondere auch für E-Bikes …

Fatale Folgen bei Personenschäden

Eine Geschwindigkeitsbusse bei Nichteinhalten dieser Vorsichtpflichten ist noch das kleinste Übel. Richtig krass wird es, wenn eine Person, insbesondere ein Kind zu Schaden kommt. Dies übrigens auch nicht nur juristisch, sondern auch psychologisch.

Wink mit dem Zaunpfahl hat gewirkt …

Gerade habe ich festgestellt, dass die Baumaschinenführer nun ihr Tempo offensichtlich den Umständen unserer Strasse angepasst haben. Auch wenn der Bauleiter sich «bockig» gegeben hat, hat er den Wink mit dem Zaunpfahl bzw. der Strafanzeige offenbar verstanden 😉

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Was kostet die Verletzung der DSGVO?

Was kostet die Verletzung der EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)? CMS Law Tax führt einen Online Enforcement Tracker mit bereits eindrücklichen Zahlen: GDPR Enforcement Tracker.

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Aktualisiert am 21. Dezember 2020

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Rechtsanwalt und der Rechtsdozent

Quelle: BUNTE 08.10.2020

In meiner über 20-jährigen Tätigkeit als Rechtsanwalt habe ich regelmässig Klienten und Gegenparteien versucht von einer gütlichen Einigung (jur. «Vergleich») zu überzeugen. Ab und zu ist das gelungen, häufiger beharrten die Parteien aber auf ihren Standpunkten und stürzten sich in mehrjährige gerichtliche Auseinandersetzungen. Vor kurzem habe ich sogar entnervt in einem über 6-jährigen (sic!), sinnlosen Rechtsstreit das Mandat niedergelegt. Nun hat es Katrin Sachse, stv. Chefradakteurin bei der BUNTE, in ihrer aktuellen Kolumne «Small Talk» auf den Punkt gebracht und stellt fest: In einem Familienstreit in einem Lebensmittelkonzern sind die einzigen Gewinner die Anwälte, die schon Millionen an Honorare kassiert haben; und Jura-Professoren, die damit einen neuen Musterfall für eine verpfuschte Unternehmensnachfolge erhalten. Exakt so ist es. Auch wenn ich (leider) in meinen Fällen keine Millionen an Honorare kassiere, sind gerade Gerichtsfälle lukrativ. Denn, wenn die Klienten einmal in der Gerichts-Pipeline drin sind, gibt es finanziell kein Entrinnen mehr. Zudem machen Fälle aus der eigenen Praxis meinen Unterricht an der Hochschule besonders lebendig. Und, natürlich spreche ich mit meinen Studierenden auch über alternative Methoden der Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution), die ich, gerade wegen diesen Erfahrungen, sehr empfehle! Die Details dazu finden Sie in meinem Online-Teaching-Tool digilaw.ch: Dispute Resolution und Rechtsdurchsetzung in der digitalen Welt.

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Aktualisiert am 19. Oktober 2020

Benjamin Hermann schafft Illustrationen für juristenfutter.ch, digilaw.ch und intla.ch

Benjamin Hermann (www.benjaminhermann.ch), ehemaliger Student von mir an der Hochschule Luzern – Design & Kunst und u.a. Illustrator für den Tages-Anzeiger, hat für meine Blogs- und Online-Lehrmittel juristenfutter.ch, digilaw.ch (Digital Law) und neu intla.ch (International Business Law) je eine eigene Illustration geschaffen, die nun eine CI bilden. Herzlichen Dank an Benjamin. Damit wird Recht noch viel lebendiger!

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Aktualisiert am 25. Februar 2021

Apple mit Birnen vergleichen

Dass die «crazy legal stories» aus den USA kommen, das weiss ich, seit ich internationales Recht unterrichte. Zu dieser Kategorie Fälle gehört nun auch der Widerspruch des US-Giganten Apple gegen die hier abgebildete US-Bildmarke 87315348 [«Birne»] des US-Startups Super Healthy Kids, Inc. für deren Koch-App «Prepear» (Details zum Case bei «iPhone in Canada»). Das Startup ist nun dermassen verzweifelt, dass es eine Online-Petition «Save the Pear from Apple!» gestartet hat, die bereits fast 50’000 Leute unterzeichnet haben. Die Petition läuft noch; auch Europäer können unterzeichnen. Nun sind wir einmal gespannt, ob in diesem Fall nur Apple etwas «crazy» ist oder allenfalls auch das US-Markenamt. Fortsetzung folgt …

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Ombudsstelle – In der Hitze des Gefechts geht sie oft vergessen

Versicherungs-Ombudsmann Martin Lorenzon (Quelle SRF)

In einem Interview in Blick-Online vom 8. August 2020 erklärt der Ombudsmann der Privatversicherung und der SUVA, dass seine Ombudsstelle in über 50 % der Fälle, in denen sie zwischen den Versicherten und den Versicherungen vermittle, zugunsten der Versicherten erfolgreich sei. Das zeigt, dass es sich lohnen kann, das in der Regel kostenlose Mittel der Ombudsstelle bei Streitigkeiten anzurufen. Dies geht in der Hitze des Gefechts in juristischen Auseinandersetzungen oft vergessen.

Methode zur Vermeidung eines Gerichtsprozesses

Das Institut der Ombudsstelle gehört zu den alternativen Streitbeilegungs-Methoden (engl. Alternative Dispute Resolution, ADR), wie Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit (engl. Arbitration). Bei diesen Methoden geht es darum, wenn immer möglich eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Denn eine solche ist langwierig und teuer und somit der Worst Case.

Einrichtungen einer Branche

Ombudsstelle werden in der Regel von einer Branche selbst eingerichtet, da auch Unternehmen oder eben auch Organisationen, wie die SUVA, ein Interesse daran haben, gerichtlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen.

Gut vorbereitet zur Ombudsstelle

An eine Ombudsstelle kann man sich auch ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin wenden. Jedoch sollte man den Sachverhalt so klar als möglich darlegen und alle notwendigen Belege dafür beilegen.

Liste von Schweizer Ombudsstellen

In der Schweiz gibt es mittlerweile in vielen Branchen eine Ombudsstelle. Nachfolgendes Liste zeigt eine nicht abschliessende Übersicht mit direktem Link zur Website der entsprechenden Stelle mit deren Kontaktdaten.

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Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung

Attacke von Wirecard auf Journalisten wird zum Bumerang

«Angriff ist die beste Verteidigung» heisst es landläufig. Auch unsere Klienten verlangen von uns Anwälten regelmässig, dass wir den (vermeintlichen) Gegener attackieren. Dass dies speziell im Umgang mit Journalistinnen und Journalisten nicht unbedingt die beste Reaktion ist, zeigt das Beispiel des mittlerweile taumelnden Zahlungsdienstleistungsunternehmens Wirecard und dessen Angriff auf Redaktoren der britische Wirtschaftszeitung «Financial Times» («FT»).

Wirecard weckt mit Gegenangriff Interesse der «FT»

Wie die NZZ in einem Artikel vom 7. August 2020 schreibt, gehörte die «FT» zu einem kleinen Kreis von Warnern, die das Geschäftsmodell von Wirecard schon früh infrage stellten. Als erstes Medium lenkte die «FT» die Aufmerksamkeit auf die undurchsichtigen Bereiche des Konzerns und forderte damit die deutsche Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) heraus. Diese ging in der Folge jedoch nicht primär gegen Wirecard vor, sondern reichte Strafanzeige gegen die Journalisten ein. Auch Wirecard selbst verklagte die Zeitung auf Schadenersatz. Die aggressive Antwort des Unternehmens habe dem Reporterteam gezeigt, dass dort noch viel mehr zu finden sei, sagt Paul Murphy, der im Investigativteam der «FT» arbeitet.

Bei Medien-Anfragen cool bleiben und transparent informieren

Unsere Erfahrung zeigt, dass es vielfach besser ist, bei Anfragen von Journalistinnen und Journlisten cool zu bleiben, darauf einzugehen und so transparent wie möglich zu informieren. Eine etwas fiese Taktik, die aber schon mehrfach funktioniert hat, ist es, Journalistinnen und Journalisten gegenüber zu erklären, man kläre den Sachverhalt ab und melde sich so bald als möglich wieder mit weiteren Informationen. Da das News-Business heute vielfach extrem schnelllebig ist, kann man darauf spekulieren, dass sich das Interesse des Mediums bereits kurze Zeit später in Luft auflöst.

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Ist eine Maskenpflicht gegen Covid-19 rechtens?

Entscheidend ist der Grundsatz der Verhältnismässigkeit

Die Kantone Jura, Waadt und Genf haben sie bereits eingeführt, die übrigen Kantone fragen sich, ob sie der dringenden Empfehlung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) für eine generelle Maskenpflicht in Geschäften nachkommen sollen. Juristisch ist ein solcher starker Eingriff in die Rechte von Kundinnen und Kunden und des Verkaufspersonals dann zulässig, wenn die Massnahme verhältnissmässig im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Schweizerischen Bundesverfassung (BV) ist.

Verhältnismässig ist eine Massnahme dann, wenn sie in Bezug auf den angestrebten Zweck geeignet und notwendig ist. Geeignet ist eine Massnahme, wenn man damit den angestrebten Zweck effektiv erreichen kann. Notwendig ist eine Massnahme, wenn sie verhältnismässig im engeren Sinne ist, d.h. dass sich ein starker Eingriff in die Freiheit der Betroffenen nur dann rechtfertigen lässt, wenn es dafür erstens kein weniger einschneidendes Mittel gibt und zweitens der angestrebte Zweck besonders wichtig ist.

Mit der Maskenpflicht strebt man offensichtlich an, dass sich die Betroffenen gegenseitig nicht mit Covid-19 anstecken. Auch wenn Covid-19 in vielen Fällen einen relativ harmlosen Verlauf nimmt, gibt es auch zahlreiche Fälle, in denen die Betroffenen enorm leiden und sogar sterben. Zudem sind die Langzeitfolgen noch nicht bekannt. Basierend darauf lassen sich wohl auch einschneidende Massnahmen rechtfertigen. Im weiteren stellt sich die Frage, ob die Maskenpflicht in Geschäften ein geeignets und notwendiges Mittel ist, um die Infizierung mit Covid-19 zwischen Kunden untereinander oder zwischen Kunden und dem Verkaufspersonal zu verhindern. Dass zertifizierte Masken geeignet sind, um Übertragungen von Covid-19 zu verhindern, dürfte unbestritten sein. Die Geister scheiden sich jedoch bei der Frage, ob eine Maskenpflicht notwendig ist. Hendrik Streeck, Professor für Virologie und Direktor des Instituts für Virologie an der Medizinischen Fakultät der Uni Bonn, hat in einer Feldforschung herausgefunden, dass das Risiko der Ansteckung mit Covid-19 in Geschäften sehr gering ist (s. «Nordkurier» 02.04.2020 «Es gibt keine Gefahr, jemanden beim Einkaufen zu infizieren»). Effektiv bestätigt auch Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen in einem Interview bei «Blick», dass die Ansteckungsrate bei Migros-Angestellten per Anfang Mai 2020 «sehr tief» ist, d.h. ein paar Dutzend Fälle bei über 89’000 Mitarbeitenden. Dagegen hat das BAG seine lange Skepsis gegenüber einer Maskenpflicht nunmehr auch in Bezug auf Geschäfte abgelegt, verlangt anlässlich einer Medienkonferenz vom 30. Juli 2020 eine generelle Maskenpflicht in Geschäften und begründet dies mit dem starken Anstieg der Covid-19-Neuinfektionen. In einem Monitoring-Bericht des gleichen Tages (sic!) stellt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) fest, dass die Maskenpflicht «keinen oder nur einen kleinen Effekt» auf die Covid-19-Zahlen hat.

Verfügen müssten nun eine solche Maskenpflicht die Kantone, wobei es gemäss einer täglich aktualisierten Übersicht des Tages-Anzeigers Kantone gibt, die seit der Zählung ein paar Dutzend Infizierte hatten und teilweise seit Tagen oder sogar Wochen keine mehr. Mindestens in diesen Kantonen würde sich dann die Frage der Verhältnismässigkeit im engeren Sinne, also der Notwendigkeit stellen.

Primär ist die Einschätzung der Gefahr von Covid-19 eine medizinische Aufgabe, wobei es dabei, wie in allen Gebieten, auch hier divergierende Meinungen der Expertinnen und Experten gibt. Nichtsdestotrotz darf eine Covid-19 Massnahme nicht getrieben durch steigende Zahlen und die Erwartung der Bevölkerung verfügt werden, sondern trotz schwieriger Lage immer nur basierend auf den Grundsätzen des schweizerischen Rechts, konkret primär des Verfassungs-Grundsatzes der Verhältnismässigkeit. Ob dieser Grundsatz bei einem Entscheid einer kantonalen Behörde eingehalten wird, kann jederzeit auf Beschwerde von Betroffenen von einem Verwaltungsgericht geprüft und allenfalls eine entsprechende Verfügung aufgehoben werden – auch die Maskenpflicht.


Schweizerisches Bundesgericht nimmt zu Corona-Massnahmen Stellung

In drei Urteilen von Juni und Juli 2021* nimmt das Schweizerische Bundesgericht auch in grundsätzlicher Art zu Corona-Massnahmen Stellung.

Das Bundesgericht stellt fest, die in der angefochtenen kantonalen Verordnungen enthaltenen Massnahmen stellten «zumindest teilweise schwere Grundrechtseinschränkungen» dar. Namentlich das generelle Verbot für Veranstaltungen von mehr als zehn bzw. dreissig Personen sei ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit. Solche Eingriffe in die Grundrechte sind gemäss dem höchsten schweizerischen Gericht nur legitim, wenn sie unter anderem auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. So sieht es die Bundesverfassung vor. Im konkreten Fall verwies das Bundesgericht auf Art. 40 des Epidemiengesetzes. Dieser besagt, dass die zuständigen kantonalen Behörden Massnahmen anordnen, um die Verbreitung übertragbarer Krankheiten in der Bevölkerung oder in bestimmten Personengruppen zu verhindern. Wohl sei dieser Gesetzesartikel sehr unbestimmt formuliert. Nicht geregelt würden etwa die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssten, um Massnahmen erlassen zu können. Dies sei mit Blick auf die schwere Vorhersehbarkeit einer Pandemie unausweichlich, müsse aber kompensiert werden. Und zwar mit höheren Anforderungen an die Verhältnismässigkeit. Es könnten nicht beliebig strenge Massnahmen ergriffen werden, um jegliche Krankheitsübertragung zu verhindern. Irgendwann sei die Verhältnismässigkeit nicht mehr gewahrt. Vielmehr sei eine Interessenabwägung vorzunehmen und nach dem akzeptablen Risiko zu fragen. Besonders zu beachten sei die Tatsache, dass Massnahmen jeweils aufgrund des aktuellen Wissensstandes getroffen werden müssten. Gerade bei Infektionskrankheiten sei es allerdings schwierig vorherzusehen, wie eine beschlossene Massnahme wirke. Deshalb müsse den Behörden beim Erlass von Corona-Massnahmen «ein relativ bedeutender Beurteilungsspielraum zugestanden werden». Die konkreten Beschwerden wies das Bundesgericht allesamt ab. Sowohl die Maskenpflicht in Geschäften und Supermärkten für Personen ab 12 Jahren als auch das teilweise Versammlungsverbot erachtete es als verhältnismässig. Beide Massnahmen seien geeignet, die Verbreitung einer Krankheit zu reduzieren. Der Vergleich der
Übersterblichkeit mit jener während einer starken Grippewelle oder die Feststellung, dass die Spitäler und Intensivpflegestationen nie überbelegt gewesen seien, sei nicht entscheidend. Sehr wohl aber, wie hoch die Zahlen dieser Parameter ohne Massnahmen ausgefallen wären. Dass dieser Nachweis nicht mit wissenschaftlicher Genauigkeit erbracht werden könne, liege auf der Hand. Zumindest aber sei es plausibel, anzunehmen, dass die Übersterblichkeit sowie die Belastung der Spitäler ohne Massnahmen höher gewesen wären. Die Maskenpflicht stellt für das Bundesgericht einen geringen Eingriff in die Grundrechte dar. Schliesslich sei sie auf Geschäfte und Supermärkte beschränkt gewesen und damit pro Person auf wenige Stunden pro Woche. Zudem habe man auch jederzeit im
Internet einkaufen können. Im Vergleich zu den im Epidemiengesetz vorgesehenen Schliessungen von Schulen oder anderen Einrichtungen sei die Maskentragpflicht weniger einschneidend, daher zulässig und gar erforderlich, um ebensolche Schliessungen zu vermeiden.

*Bundesgerichts-Urteile 2C_793/2020, 2C_941/2020 vom 8. 7. 2021 sowie 2C_8/2021 vom 25. 6. 2021

Quelle: NZZ 22.07.2021


Bild 16.10.2020 Berliner Verwaltungsgericht hebt Corona-Massnahme auf – Es kippt die 23-Uhr Sperrstunde. Das Gericht gibt Gastwirten recht, die gegen die Sperrstunde geklagt haben. Bei BILD LIVE erklärt Rechtsanwalt Niko Härting, der die Gastwirte vertritt, den Entscheid.


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Aktualisiert am 28. Juli 2021

Migros-Online-Shop liefert nicht – Kann man Bestellung widerrufen?

Am 5. Juli 2020 habe ich bei der Migros-Tochter Melectronics ein Produkt bestellt. Melectronics hat mir in einer Bestellbestätigung mitgeteilt, das Produkt würde mir voraussichtlich am 10. Juli 2020 zugestellt. Am 13. Juli 2020 habe ich bei Migros nachgefragt, ob man mir das Produkt wohl noch zusenden werde. Darauf hat mir Migros im Klartext geantwortet, man sei im Moment mit Bestellungen und Anfragen überfordert und werde mir sobald als möglich ein Feedback senden. Zwischenzeitlich war ich in einer Melecronics-Filiale und habe das bestellte Produkt dort sofort kaufen können. Ich habe mich darum gefragt, ob ich die Bestellung bei Migros bzw. Melectronics widerrufen könne.

Bestellung ist juristisch eine Offerte

Grundsätzlich handelt es sich bei einer Bestellung in einem Online-Shop, falls ein Produkt per Post oder Kurier zugestellt werden muss, nicht um eine Annahme, sondern um eine Offerte des Kunden (mittelbarer Kauf nach Art. 7 des schweizerischen Obligationenrechts). D.h. der Vertrag mit dem Online-Shop kommt erst zustande, wenn der Online-Shop die Bestellung seinerseits vorbehaltslos bestätigt. Dies tun Online-Shops in der Regel jedoch gerade nicht. Sie bestätigen lediglich, dass die Bestellung eingegangen sei und dass man den Kunden wieder informieren werde. Melectronics halten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sogar explizit fest: Ein Vertrag kommt erst durch den Versand der bestellten Produkte bzw. Vereinbarung des Liefertermins bzw. Zustellung der Abholeinladung zustande. Sobald die Bestellung versendet wurde, wird dies dem Kunden per E-Mail mitgeteilt.

Kunde ist grundsätzlich an Bestellung gebunden

Der Kunde dagegen ist grundsätzlich an seine Bestellung bzw. eben Offerte solange gebunden, bis er nach dem Grunsatz von Treu und Glauben eine Annahme der Bestellung bzw. der Offerte erwarten darf (Art. 5 OR).

Insbesondere, wie im vorliegenden Fall der Bestellung bei Melectronics, wenn der Online-Shop Angaben zum Lieferungs-Datum macht, kann vom Kunden nach Treu und Glauben aber nicht erwartet werden, dass er über diesen Termin hinaus auf das bestellte Produkt warten muss.

Widerruf oder Rücksendung des Produkts

Ist der Kunden basierend darauf oder basierend auf der Regel von Art. 5 OR nicht mehr an seine Offerte bzw. Bestellung gebunden, kann er entweder explizit seine Bestellung widerufen (was zu empfehlen ist; E-Mail mit Empfangsbestätigung) oder dann später das bestellte Produkt einfach zurücksenden, mit dem Hinweis auf die Regel von Art. 5 OR.

Rückgaberecht gemäss AGB

Die AGB von Melectronics sehen darüber hinaus aber auch noch ein Rückgaberecht innert 30 Tagen vor; mit wenigen Ausnahmen. Selbstverständlich kann man ein Produkt, das man nicht mehr will, weil es zu spät geliefert wurde, auch basierend darauf zurücksenden.

Bestellen Sie grundsätzlich immer auf Rechnung

Zum Schluss noch ein rechtspraktischer Tip. Bestellen Sie wenn immer möglich auf Rechnung. In diesem Fall müsste der Online-Shop bei Problemen mit Bestellung und/oder Kauf aktiv gegen Sie vorgehen und Sie erparen sich die Umtriebe mit Ihrer Kreditkartenfirma; obwohl die Kreditkartenanbieter nach meiner Erfahrung in der Regel sehr kooperativ sind.

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